Am 13.01.2020 hatte der Nds. Innenminister und der Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen zu einem parlamentarischen Abend der deutlichen Worte nach Berlin eingeladen. Im folgenden ein Verlaufsbericht mit Bildern aus Sicht als begleitender Personalrat / Gewerkschafter:
Durch die Veranstaltung führte Dr. Heike Matthias-Ripke, Professorin an der Polizeiakademie. In ihrer kurzen Einführung stellte sie die Akteure des Projektes vor, genannt wurden auch der Polizeihauptpersonalrat und die GdP.
Zur Begrüßung startete der Direktor der Polizeiakademie Carsten Rose mit einer Solidaritätsbekundung:
Er freute sich über die große Resonanz. Rund 200 Gäste waren erschienen. Rose erläuterte den Grund für den Titel des Abends: „Polizeischutz für die Demokratie.“ Er bedeutet, dass die Polizei ein Garant für die Demokratie ist und auch deren Botschafter. Man will mit der heutigen Veranstaltung ein Zeichen setzen, man will nicht tatenlos zuschauen, wie Populisten versuchen, mit ihrem intoleranten Weltbild unsere Gesellschaft zu spalten. Er zitierte den Hannoverschen Landesbischof Ralf Meister mit dem Satz: „Das Unheil beginnt oft mit Worten“. Er führte dann beispielhaft auf, welche Sätze uns aufhorchen lassen sollten. Mit klaren Worten wiederholte er die Geschlossenheit, mit der sich die leitenden niedersächsischen Führungskräfte hinter den Äußerungen des Oldenburger Präsidenten Johann Kühme stellen. Alle werteten dessen kritische Äußerungen zu bestimmten Zitaten von AfD Politikern als von der Verfassung getragene, zulässige Meinungsäußerung, der man sich voll inhaltlich anschließe.
Haltung zeigen und nicht Zurückhaltung, dass Eintreten für die Grundwerte unserer Verfassung sei das Selbstverständnis der niedersächsischen Polizeiführung. Man wolle noch stärker betonen, wofür die Polizei stehe, und wofür nicht. Das sei der Grund für die Einladung zur heutigen Veranstaltung. Eine freiheitliche Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sondern eine historische Errungenschaft, die es wertzuschätzen und zu schützen gelte.
Es folgte ein Grundsatzstatement des Niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius:
Worum es geht: Die Polizistinnen und Polizisten sind Botschafterinnen und Botschafter, Repräsentanten, Verteidiger und Bewahrer unseres Rechtsstaates. Das Ziel muss daher sein, die persönliche Haltung aller Beamtinnen und Beamten in ihrer Wertvorstellung zu festigen.
Worum es nicht geht: Die Niedersächsische Polizei braucht keine Nachhilfe in Demokratie. Es gibt keine Anzeichen für demokratiefeindliche Prozesse innerhalb der Polizei. Die Polizei könne ob ihrer Zuverlässigkeit und Verlässlichkeit stolz sein. Es geht nicht darum, die Wertvorstellungen zu hinterfragen. Die Widerstandsfähigkeit ist wichtig, weil Rechtsextremisten und Populisten ihre Fühler immer mehr und sehr gezielt in Richtung Polizei ausstrecken. Man versucht Misstrauen zu säen und die Polizei für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Er schlug dann den Bogen zur Weimarer Zeit, die eine Mahnung ist, wachsam zu sein und Gefahren frühzeitig zu bekämpfen. Man will Sinne schärfen und Aufmerksamkeit schaffen.
Niemand kann heute mehr sagen, er wisse nicht, wohin völkische Gesinnung und Nationalismus führen. Allerdings scheint dieses Wissen bei einigen in atemberaubenden Tempo zu erodieren.
Die Ausstellung „Freunde – Helfer – Straßenkämpfer“ leistet hier einen wichtigen Beitrag, Wissen in Erinnerung zu behalten.
Die Weimarer Republik scheiterte nicht an der Stärke ihrer Gegner, sondern an der Schwäche ihrer Anhänger. Das soll Mahnung sein.
Die Demokratie steht derzeit so unter Druck wie noch nie. Das fordert auch die Polizei in besonderem Maße. Die Menschen schauen, wie verhält sich die Polizei. Sie muss allen extremistischen Formen widerstehen.
Wie man hier stärkend und unterstützend konkret vorgehen möchte, wurde dann erläutert.
Fachvortrag von Dr. Dirk Götting, Polizeiakademie Niedersachsen, Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte:
Gut 30 Minuten erläuterte der Polizeihistoriker die Geschichte der Polizei von der Revolution 1918 bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Er schloss mit den Sätzen: „Ich möchte nicht erleben, dass in Deutschland noch einmal eine Demokratie verloren geht. Nicht wieder erleben, dass noch einmal Polizisten zu Tätern gemacht werden. Ich möchte nicht erleben, dass Bürgerinnen und Bürger Angst vor der Polizei haben. Polizeischutz für die Demokratie ist immer auch Selbstschutz für die Polizei.“
Fachvortrag von Albrecht von Lucke, Publizist und Politologe:
Gleichfalls gut 30 Minuten kamen nun Thesen und Feststellungen von außerhalb der Polizei zur aktuellen Lage der Demokratie. Herr von Lucke sprach direkt Abgeordnete an und stellte konkrete Bedrohungsbezüge her. Zum Schluss thematisierte er den Begriff des Feindes. Dieser bedeute die Entdemokratisierung der politischen Auseinandersetzung. Wer sich diesen Begriff zu eigene mache, laufe Gefahr, Gegner in der Demokratie zu dämonisieren und das Spiel der Populisten mitzumachen. Man müsse aufpassen, dass eine Rhetorik der Verfeindung nicht Oberhand gewinne. Das wäre der Sieg der Populisten.
Zum Abschluss einer gleichfalls 30-minütige Gesprächsrunde mit fünf Akteuren lautete die Schlussfrage von Frau Prof. Rippke:
Welche Gefahr für die Demokratie ist Ihrer Ansicht nach die am meisten unterschätzte Gefahr?
Antworten im Auszug:
Herr von Lucke: Die antiparlamentarischen, antiparteipolitischen Aspekte der Bewegungen, z.B. fridays for future auf der einen Seite, und das Fehlen eines gewissen Verfassungspatriotismus.
Dr. Dirk Götting: Die Selbstverständlichkeit, die Gleichgültigkeit. Historisch gesehen enden autoritäre Regime in Revolutionen, Demokratien werden abgewählt. Wir brauchen wieder ein Gefühl für den Wert der Demokratie, der nicht selbstverständlich ist. Gleichgültigkeit ist der erste Schritt in den Verlust.
Thomas Müller, Landespräventionsrat: Die Kenntnisse zu den Ursachen für antidemokratische Einstellungen werden zu wenig beachtet. Diese Ursachen müssen über die Parteigrenzen hinweg verändert werden.
Dietmar Schilff, Gewerkschaft der Polizei: Wenn sich Menschen nicht mehr selber in zivilgesellschaftlichen Bereichen engagieren. Ob im Sportverein, in der Gewerkschaft… Wenn das Engagement aufhört, für jemanden anderes etwas zu tun, dann verlieren wir die Demokratie. Engagement ist das Wichtigste was es gibt.
Boris Pistorius: Wenn diejenigen, die an der Basis die Arbeit machen, in den Sportvereinen, in den Räten, wenn die aufhören aus Angst vor Repressalien von rechts, dann stirbt Demokratie von unten und das ist nicht reparierbar. 70 Jahre Demokratie, Freiheit und Sicherheit hat es in diesem Lande noch nie zuvor gegeben. Viele Menschen in diesem Land tun so als sei das nichts, Kleinkram. Die dritte Gefahr aber ist, wenn ein demokratischer Rechtsstaat sich nicht traut sich zu wehren, mit allem was er hat. Arglosigkeit, Naivität und fehlender Mumm muss abgestellt und eine klare rote Linie definiert werden, wo sich die Demokratie mit ihrer Polizei, ihren Gerichten dagegen wehrt attackiert zu werden.
Ralf Hermes, Berlin, 14.01.2020, 14:55 h