Textabschrift:
Es läßt sich nicht verleugnen, auch bei denen nicht, die sich bemühen, der Polizei Achtung und Wohlwollen entgegenzubringen: das Publikum steht der Polizei mit kühler Reserve gegenüber, die oft so kühl ist, daß sie zu einer gewissen Feindseligkeit ausartet. Das ist beileibe nicht nur bei Leuten der Fall, die etwas auf dem Kerbholz haben oder hatten und die aus diesem Grund die Beamtenschaft mit der heiligen Hermandad meiden. Nein, fast jeden überkommt ein, milde gesagt, nicht angenehmes Gefühl, wenn er irgend etwas mit der Polizei zu tun haben soll, ja, wenn er nur einen Polizisten sieht. Vieles hat sich hierin schon gebessert, das liegt sowohl und in erster Linie an der Polizei selbst, die in der Republik ihre Aufgaben ganz anders aufzufassen hat, als auch am Publikum, das durch die schweren, mit Gewalttätigkeiten und gesteigerter Kriminalität reichlich gesegneten Nöte der Zeit eine …
energische sowie sachliche und korrekte Polizei erst so recht zu schätzen gelernt hat. Aber ein Rest, ein bitterer und nicht kleiner Rest ist bis auf den heutigen Tag geblieben, und an ihm hat der pflichtbewußte, aber in seinem Inneren doch recht menschenfreundliche Polizeibeamte schwer, oft recht schwer zu tragen. Solch üble Reserve, diese Zurückhaltung färbt naturgemäß auf den Menschen ab, der auch in der Uniform in jedem Beamten steckt. Eine gewisse Bitternis vergällt ihm mehr oder weniger sein ganzes Leben, eine gewisse Herbheit beeinträchtigt seine Lebensfreude.
Das ist dem Polizeibeamtenschaft natürlich nicht unbekannt, die sich nicht nur durch ihre starken Organisationen (wie wären solche im Kaiserreich wohl möglich gewesen?) mit ihrer wirtschaftlichen und dienstlichen Lage befassen, sondern auch mit ihrem Menschtum im allgemeinen. Die Polizei des heutigen Staates versucht, die Animosität der Bevölkerung, die unberechtigt und auf überlebtem Atavismus beruht, zu beseitigen. Eine solch glückliche Idee wurde kürzlich durch das Polizieoffizierkorps der Schutzpolizei in Magdeburg in Angriff genommen. Die Offiziere haben Vertreter der Bevölkerung zu einem Bierabend eingeladen, der durch einen Vortrag über die Polizei im Staat eröffnet wurde. Gäste waren Abgeordnete aller politischen Parteien, Vertreter aller Gewerkschaftsverbände, Redakteure aller Zeitungen des Ortes, Eingeladene aller Behörden, Unternehmer, Wirtschafts-, Sport- und Handelsvertreter. Kein kleiner, kein intimer Kries, Leute, die sich einander oft ablehnend und animös gegenüberstehen, wie sie meist, alle zusammen der Polizei kühl und reserviert sind. Das Glas Bier und die Zigarre (die ebenso wie den kleinen Imbiß der Gast selbst bezahlen mußte), sie lösten an kleinen Tischen nach den Gehörten bald die Zungen der Geladenen. Das wurde sichtlich erleichtert durch die Mitwirkung eines mit künstlerischem Talent und Humor begabten Polizeiwachtmeisters. Auf den Tischen waren, zur beliebigen Verwendung, Tischkarten ausgelegt, die den Beweis lieferten, daß der Humor auch bei der Polizei nicht ganz erstorben ist. Die Polizei ist bekanntlich mehr noch wie die Feuerwehr das Mädchen für alles. Sie hat nicht nur den Verkehr auf der Straße zu regeln, wobei die grünen und roten Lichter eine Rolle spielen, sondern auch den in der Luft.
Wenn schon es humorvoll ist, das Grün in dem nicht schlecht schmeckenden Schnaps Prünelle realisiert zu sehen, so zeugt auch das Rot, für das Sherry gewählt wurde, von keineswegs schlechtem Geschmack. Auf diesem Gebiet gibt es auch bei der jetzigen Polizei private Bestrebungen, es an fachmännischen Fähigkeiten dem früheren „Blauen“ gleichzutun; es will aber nicht so recht gelingen. Daß dem Hirnzentrum die doppelte Menge Grün als Rot entströmt, trifft bei der im allgemeinen befriedigenden republikanischen Schutzpolizei Magdeburgs wohl zu, es ist aber leider nicht überall so. Das B.W.-Monogramm auf dem mit Prünelle und Sherry ausgestatteten sinnierenden Schupokopf bedeutet sicher: „Bitte, weiter“. „Bitte“ darf heute beim Verkehr mit dem Publikum nicht mehr fehlen und mit „weiter“ wird man es am schnellsten los. Mit dem Fesselballon, auf dem der Schupoposten den Flugverkehr regelt, ist sicher sogar der Verkehrsstrom von Berlin in den Schatten gestellt. Der Posten beweist aber auch, wie schwindelfrei und fest die Schupo zu stehen vermag.
Dagegen ist das Schweigen im Walde (nach Böcklin) mehr wie originell, und man sieht es dem angestrengten Blick des Beamte richtig an, wie er sich bemüht, das Schweigen aufrechtzuerhalten.
Die Panzerautos (von denen der Polizei einige gelassen worden sind) mit den immer zum Lachen reizenden Typen Wilhelm Buschs, Max und Moritz, in Verbindung zu bringen, deren Physiognomien von ihren zermalmenden Rädern noch auftauchen, ist ein ebenso gemüt- wie humorvoller Einfall.
Der in der Ritterrüstung steckende Schupomann, dessen Visier mit dem Tschako vertauscht ist, will in treuer Biederheit wohl ausdrücken, daß die Schupo mit der Beschirmung des historischen Magdeburger Doms zu seinen Fußen die symbolische Auffassung zum Ausdruck bringen will, die Ordnung und Sicherheit zu ihrer Lebensaufgabe zu machen.
Solch Humor soll gepflegt werden, und auch das Publikum sollte zu seiner Förderung beitragen. Es kann es, wenn es den Beamten menschlich und höflich begegnet, die so wenig angenehmen und doch so wichtigen Dienst leisten müssen. G. Krüger
Humorseite als PDF-Download (1,6 MB):
Gesamte Ausgabe der IRZ vom 23.04.1027 (3,3 MB):
Bericht/Abschrift als PDF:
Abschrift: Ralf Hermes, 24.04.2020