Abschrift Quellendokument: „Eine Warnung an alle jugendlichen Reichsbannerkameraden“

Hameln, 05.05.2024: Abschrift eines Berichtes aus der Zeitung „Das Reichsbanner“, Beilage für den Gau Oestliches Westfalen (Bielefeld) vom 30.05.1931

Eine Warnung an alle jugendlichen Reichsbannerkameraden

Die Nazis versuchen in ihren Versammlungen immer politische Redner zu provozieren, um im Anschluß an die Versammlung noch Radau und Krach machen zu können. Auseinandersetzungen,wie sie früher auf politischem Gebiet üblich waren, die in ruhiger und sachlicher Weise verliefen, sind bei diesen Leuten nicht möglich, und ein Vorkommnis in Brackwede bei Bielefeld mag allen zur Warnung dienen.

Am 15. Oktober b. I. fand in Brackwede eine Naziversammlung statt. Im Anschluß daran kam es, nachdem der Kommunist Hiller aus der Versammlung durch den Saalschutz der Nazis herausgebracht war, zu einem Zusammenstoß. In der Hauptsache waren es kommunistische Jugendliche, die gegen die Nazis, als sie mit der Straßenbahn nach Bielefeld fahren wollten, aggressiv vorgingen. In dem Prozeß, der folgte, wurden fünf der Teilnehmer freigesprochen, und ungefähr dieselbe Zahl der Angeklagten erhielt Strafen wegen Landfriedensbruchs von 1 bis 7 Monaten. Wie es bei solchen Vorkommnissen meistens zugeht, weiß man ja, daß auch manchmal

Unbeteiligte mit sistiert werden und nachher als Angeklagte vor dem Gericht zu erscheinen haben. Diejenigen, die die eigentlichen Urheber sind, machen sich meistens früh genug aus dem

Staube, so daß sie nicht gefaßt werden.

Bei diesem Radau kam auch einer unsrer Reichsbannerkameraden zufällig des Weges und wurde mit angeklagt, trotzdem er mit der Sache gar nichts zu tun gehabt hatte und auf dem Heimweg von seiner Braut (er stand vier Wochen vor der Hochzeit) nach Hause ging. Es war ihm zur Last gelegt

worden: 1. daß er sich in der Menge befunden haben soll, die hinter her Straßenbahn herlief; 2. soll er vor dem Versammlungslokal auf den Schluß der Versammlung gewartet haben; 3. Mit einem Stein gegen die Straßenbahn geworfen haben und 4. Nach dem Wurf soll er geäußert haben: „Jetzt sollen sie wohl (die Nazis) das nächstemal nicht wiederkommen!“ Unser Kamerad, der auch Mitglied der SPD. ist, hat dann diese Behauptungen zurückgewiesen und auch genügend Zeugen angegeben, daß die Anschuldigungen nicht wahr sein konnten. Gegen die damals erfolgte

Freisprechung wurde von seiten der Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Auch unser Kamerad war bei den Freigesprochenen. In der Berufungsbegründung gegen die Freisprechung

ist bezüglich unsers Kameraden folgender Satz enthalten: „Gegen G. (unser Kamerad) spricht seine und seines Vaters Einstellung gegen die NSDAP.“

Dieses ist doch ein starkes Stück. Weil unser Kamerad nun zufällig auf dem Heimwege, der ihn an dem Versammlungslokal vorbeiführte, war, Sozialdemokrat ist und auch sein Vater der

Partei angehört, soll das ausgenutzt werden gegen seine Freisprechung. Von dem Sachberater wurde unserm Anwalt, dem wir die Sache übergeben hatten, mitgeteilt, die Bemerkung in der Berufungsbegründung („Gegen G. spricht seine und seines Vaters Einstellung gegen die NSDAP.“) soll auf keinen Fall auf seine Mitgliedschaft im Reichsbanner anspielen. Der Staatsanwalt hat dann auf das bestimmteste erklärt, daß er daran gar nicht gedacht

habe. Die Bemerkung soll so zustande gekommen sein, daß dem Staatsanwalt zu Ohren gekommen sei, daß der Vater des G. bereits früher einmal in einer Versammlung der NSDAP, einen Zusammenstoß mit der Versammlungsleitung gehabt hat. Immerhin müssen wir es mit aller Entschiedenheit zurückweisen, wenn schon einer, der mit dem Gericht in Konflikt kommt

— und zwar so unschuldigerweise wie unser Kamerad G. — , es dann nicht ausschlaggebend sein kann, wenn er nun einmal einer Partei angehört, die einer gerichtlichen Behörde nicht gefällt. —


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