Hameln, 30.04.2023: „Wovor haben Sie Angst?“ Dieses ist die Eingangsfrage in den insgesamt 28 Ausstellungsführungen, die Besuchenden der Ausstellungen zum Thema „Krieg und Gewalt im Spannungsfeld der Demokratie“ am Eingang des Kunstkreises Hameln gestellt wird. Ob die Antwort offen für alle oder nur als Gedanke für den Einzelnen selber erfolgt, blieb jedem selbst überlassen.
Die Teilnehmer an den Führungen kamen aus unterschiedlichsten Bereichen. Schulklassen, Menschen aus der Kommunalpolitik, Vertreter aus Verwaltungen, Auszubildende oder Polizeibeschäftigte aller Ebenen. Am 19.03.2023 z.B. informierte sich der Landespolizeidirektor Ralf Leopold und seinem Team aus dem MI und den Polizeivizepräsidenten im Rahmen einer Tagung vor Ort über die Aktivitäten im Projekt „Polizeischutz für die Demokratie“.
Die Polizeiinspektion Hameln-Pyrmont/Holzminden hat mit dem Ausstellungsprojekt einen neuen Weg beschritten und als Partner mehrere gesellschaftliche Organisationen mit ins Boot geholt. Inspektionsleiter Matthias Kinzel ging es zusätzlich darum, dass neu gegründeten Netzwerk „Schutz der Demokratie und ihrer Akteure im Weserbergland“ einzubinden. Dieses wurde im Jahr 2022 zwischen den kommunalen Partnern aber auch den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben gebildet.
Was war zu sehen?
Im ersten Teil des Ausstellungsrundganges wurden die Schrecken des 1. Weltkrieges anhand von Grafiken zum Roman von Erich Maria Remarques Weltbestseller aus dem Jahr 1929 verdeutlicht. Die Ausstellung des Friedenszentrum Osnabrück stellt mit den Bildern einer Graphic Novel die Geschichte des jungen Soldaten Paul Bäumer mit seinem tragischen Ausgang für alle Teilnehmer seines Kriegsjahrganges dar. Durch die Neuverfilmung und Oscar-Prämierung des Films „Im Westen nichts Neues“ ist auch die Geschichte des Buches wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Karsten Holexa vom Verein Denkanstoß Hameln e.V. übernahm hier die Führung durch den Ausstellungssaal und verknüpfte die Schrecken des 1. Weltkrieges mit den Schrecken der Agitation der Nationalsozialisten gegen das Buch und den Film von 1930. Der „Kampf um Remarque“ zeige, wie NS-Propagandaleiter Göbbels erfolgreich gegen die realitätsnahe Darstellung des Krieges vorging. Diese passte mit ihren Schrecken nicht in die NS-Ideologie des im Felde unbesiegten, heldenhaften deutschen Soldaten.
Ralf Hermes führte dann durch die Ausstellung zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Die zivile „Wehrformation“ – gegründet im Jahr 1924 – mit damals fast 3,5 Mio. Mitgliedern ist heute weitgehend vergessen. Anhand der Rollups der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin und mit Originalexponaten aus der Weimarer Republik wurde die Geschichte der defensiv ausgerichteten Republikverteidiger, wie auch die Taktik der Gewalt der Gegner von rechts wie links verdeutlicht. Auch hier spielten Gefühle eine wichtige Rolle. Angst, Lüge, Desinformation und Verrohung der politischen Kultur wurde in der ersten deutschen Demokratie mannigfaltig zur politischen Agitation eingesetzt.
Was war die Kernbotschaft?
Wenn aus politischen Gegner Feinde werden, wie auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges, ist eine Grundlage der Demokratie verloren. Demokratie erfordern konstruktive Zusammenwirken und die Notwendigkeit zum Kompromiss. Eine Kerninformation der Ausstellungsführung: Hitler und die NSDAP wurden in demokratischen Wahlen von den Menschen an die Macht gewählt, trotz Gewalttätigkeit und klar demokratiefeindlicher Aussagen.
Der Begriff der „Wehrhaften Demokratie“ hat für Deutschland nach innen wie außen eine neue praktische Bedeutung erlangt. Es geht nicht mehr nur um theoretischen Kommentaren zum Grundgesetz, sondern um die praktische Frage: Was tun um Vorzubeugen und um Gegenzuwirken?
Über das Gesagte und Gesehene entwickelte sich regelmäßig ein lebhafter Austausch sowohl in der Abschlussrunde, wie auch in den Pausengesprächen.
Alle Informationen zur Ausstellung auf der Internetseite https://denkanstoss-hameln.de/muttutgutwbl oder auf Mastodon unter https://hameln.social/@demokratieschutz
herral, 30.04.2023
Ein Gedanke zu „Angst und Demokratieverteidigung! Ein Einblick in den Ablauf der Ausstellungsführungen Remarque und Reichsbanner im Kunstkreis Hameln 2023“