Reichsbannermann Alfred Jahn. Ein Schicksal aus Hannover.

Hameln, 12.06.2022: Am Freitag, dem 10.06.2022 fand in der Egon Kuhn Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden die Vorstellung einer Dokumentation über den Hannoveraner Reichsbannerführer Alfred Jahn statt.

Ein Verlaufsbericht.

Jonny Peter als Referent und Mitverfasser mehrerer Broschüren über Widerstandskämpfer in Hannover stellte die mit Unterstützung von Sylvia und Manfred Wolter (Susanne Böhmer war krankheitsbedingt verhindert) erstellte 68-seitige Broschüre als Beitrag zur Lindener Geschichte (Band 1) vor.

Sylvia Wolter, die 1982 bei einem Besuch im Historischen Museum Hannover auf ein überlebensgroßes Foto ihres Urgroßvaters Alfred Jahn stieß, gab den Anstoß zur Dokumentation. Sie hatte als kleines Kind ihren Urgroßvater noch kennengelernt und etwas Erinnerung bewahrt.

Das Bild im Museum war von Walter Ballhause. Titel „Die Formation“. Es zeigt einen Aufmarsch des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Hannover. An der Spitze als Einheitsführer Alfred Jahn, in der Formation eingereiht sein Sohn Wilhelm Jahn, der Großvater von Sylvia Wolter.

In den letzten Jahren fand Sylvia Wolter dann die Zeit, sich auf eine auch sehr emotionale Spurensuche zur Geschichte ihres Urgroßvaters zu begeben. Sie wusste, dass dieser in der Weimarer Republik in Hannover ein bedeutender Mann gewesen war, nach dem Krieg aber nie über das Erlebte gesprochen hat. „Das willst du nicht wissen.“ Der Satz war als Antwort der Familie noch in Erinnerung, wenn gefragt wurde.

Sylvia Wolter hat ihren Urgroßvater als imposanten, aber auch schweigsamen Menschen in Erinnerung.

Es folgte eine Spurensuche an allen erdenklichen Orten. Mehrere hundert Seiten Archivmaterial wurde gesammelt. Jonny Peter übernahm es dann, als Sozialwissenschaftler und vielfältiger Buchautor, die Informationen zu bündeln und für die Nachwelt in der Broschüre zusammenzufassen.

Mittels eines PowerPoint Vortrages erläuterte Herr Peter den rund 20 anwesenden Interessierten die Ergebnisse. Dabei vermittelte er auch Einblicke in die Hannoveraner Geschichte der Weimarer Republik mit dem mittlerweile fast unbekannten Verband Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Anschaulich wurde aber vor allem das Einzelschicksal des technischen Leiters des Verbandes, der, aus heutiger Sicht nicht mehr erklärlich, neun Jahre Haft und Konzentrationslager in zunehmend schlechter körperlicher Verfassung überlebte.

Kurzüberblick:

Am 14.10.1885 in Langensalza geboren arbeitete Jahn nach Volksschule und Ausbildung zum Bürogehilfen in einer mechanischen Weberei in Hamm, danach zwei Jahre im Kohlenbergbau, von 1905-1910 Dienst als Freiwilliger im thüringischen Ulanen Regiment Nr. 6. Nach dem Militärdienst Wechsel nach Hannover und dort Arbeit als Hilfsschutzmann der staatlichen Polizei. Zwei Töchter und ein Sohn erblickten das Licht der Welt. Eintritt in die SPD im Jahr 1919 und seitdem auch Bürgervorsteher (heute Ratsmitglied) für die SPD im Rat. 1921 musste er den Dienst bei der Polizei unter nicht mehr nachvollziehbaren Umständen quittieren. Hintergrund war eine Verurteilung zu einer 3-monatigen Gefängnisstrafe, die allerdings nie angetreten werden musste. Was sich hinter dem Tatvorwurf „Unterschlagung im Amte“ verbarg, bleibt unklar. Bis 1925 war er dann Angestellter in der Industrie. Es erfolge anschließend ein Wechsel als Geschäftsführer des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, bis dieses 1933 durch die Nationalsozialisten verboten wurde.

Was sich unter dem Begriff des Reichsbanners konkret verbarg, was passierte, als Jahn beim Überfall am Lister Turm durch die Nationalsozialisten schwer verletzt wurde, was beim Sturm auf das Gewerkschaftshaus Hannover passierte und welche Stationen Jahn nach Zuchthausaufenthalt in Hameln und nur knappem Überleben im Vernichtungs-KZ Flossenbürg erfuhr, darüber findet man in der Broschüre Informationen.

Des Heft ist in kleiner Auflage erschienen und für 5 Euro in der Egon Kuhn Geschichtswerkstatt im Freizeitheim Linden erhältlich.

Ein ausführlicher Besuch der Ausstellungsräume zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Linden steht für mich noch auf der „Zu Erkunden“-Liste.

Die Buchpräsentation wurde begleitet durch den Vorstand des heutigen Reichsbanners Schwarz Rot Gold, Bund Aktiver Demokraten e.V. Hier erläuterte Daniel Fiedler für die Regionalgruppe Hannover kurz die heutige Arbeit und dankte den Akteuren sehr herzlich für die Recherchearbeit.

Impressionen der Veranstaltung:


Links zum Thema:

https://geschichtswerkstatt-linden.de/index.php?rubrik=0&subrubrik=0&memory=8

https://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Freizeit-Sport/Freizeiteinrichtungen/Freizeitheime-Stadtteilzentren/Freizeitheim-Linden

https://www.reichsbanner.de/reichsbanner-heute/


Mir bleibt es Danke zu sagen für einen interessanten Ausflug nach Hannover, viele gute Gespräche und eine spannende Broschüre, die ich mit großem Interesse gelesen habe.

Ralf Hermes

herral, 12.06.2022

Aktualisierung mit Quellendokument

Flugblatt der Kampfleitung der Eisernen Front. Aufruf zu einem Demonstrationszug am 19.02.1933 in Hannover, Klagesmarkt:

Bildschirmfotos. Quelle:

https://www.reichsbanner-geschichte.de/digitale-sammlung-schaudepot

19.09.2023, herral


In der Oktoberausgabe des Lindenspiegel aus Hannover gibt es einen Bericht über Alfred Jahr und das Reichsbanner:


Die vollständige Ausgabe der Zeitung gibt es hier:

Lindenspiegel10-2023.pdf


30.11.2023, herral

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