Die Entlassung rechtsgerichteter Braunschweiger Schutzpolizisten. Zeitungsmeldungen vom August 1921

Säuberung bei der Schutzpolizei in Braunschweig?

Hier eine Wiedergabe verschiedener Berichte:

Zunächst hatte ich den Bericht der DEWEZET (Deister- und Weserzeitung aus Hameln) gefunden. Die Meldung vom 11. August 1921, also 17 Monate nach dem Kapp-Putsch lautete: „Das unerhörte Treiben gegen die Schupobeamten, hat heute vormittag mit der Entlassung von 54 im Dienste bewährten Beamten einen für das Braunschweigische Staatsministerium und den Polizeipräsidenten Buchterkirchen keineswegs glorreichen Abschluß gefunden. Es mutet wie ein schlechter Witz an, wenn man hört, daß den Entlassenen ein Schriftstück zur

Unterschrift vorgelegt wurde, durch das sie ihre Entlassung anerkannt (!) hätten. Die Unterschrift ist von allen Beamten abgelehnt worden. Die Fraktion des Landeswahlverbandes hat beschlossen, im Landtag, wenn er zusammentritt, eine Interpellation wegen der Maßregelung der Polizeibeamten einzubringen.“

(Interpellation = „von einem oder mehreren Parlamentariern an die Regierung gerichtetes Verlangen um Auskunft in einer bestimmten Sache“

Die Vossische Zeitung aus Berlin berichte am 12. August: „Der Polizeikonflikt in Braunschweig. Am Donnerstag hat das braunschweigische Staatsministerium die Entlassung der 53 zum Bund der Frontsoldaten („Stahlhelm“) gehörigen Beamten der Schutzpolizei ausgesprochen. Vorher wurde ihnen ein Schriftstück vorgelegt, durch dessen Unterzeichnung sie ihre Entlassung gleichsam anerkennen sollten. Sämtliche Beamte lehnten es ab, die Unterschrift zu leisten, und legten Protest ein. Die Fraktion des Landeswahlverbandes hat beschlossen, dem Landtage bei seinem Zusammentreten eine Interpellation wegen der Maßregelung dieser Polizeibeamten vorzulegen.“

Die SPD-Zeitung Vorwärts berichtet in der Abend-Ausgabe vom 12. August: „Die Braunschweiger Polizeientlassungen. Wie wir kürzlich meldeten, stand in Braunschweig die Entlassung von 54 Schutzpolizeibeamten, die dem Bund der Frontsoldaten (Stahlhelm) angehörten, bevor. Die Entlassung ist inzwischen, wie die TU meldet, am gestrigen Tage erfolgt. … Zu der gleichen Sache verbreitete WTB. Kürzlich einen angeblichen Protest der Braunschweiger Polizeibeamten. Wir sprachen von vornherein darüber Zweifel aus, ob es sich bei diesem Protest um eine Willenskundgebung der ordentlichen Vertreter der braunschweigischen Landespolizei handelt, oder ob lediglich die Stahlhelmpolizisten ihre Empörung Ausdruck gegeben hätten. Inzwischen hat sich die Sachlage soweit geklärt, daß kein Zweifel mehr über die Einseitigkeit des Protestes besteht. Es ist ein Akt selbstverständlicher Staatshilfe, wenn die braunschweigische Regierung es ablehnt, den Schutz des Landes einer Organisation anzuvertrauen, die die gewaltsame Beseitigung der Republik zum Ziel hat. Das Recht auf Notwehr, das jedem Einzelmenschen zusteht, darf auch dem Staat nicht abgesprochen werden.“

Die „Freiheit“, das Berliner Organ der USPD berichtet mehrfach, u.a. am 12. August 1921: „Im reaktionären Blätterwald tobt großer Sturm, weil die Braunschweiger Regierung es gewagt hat, Schutzpolizisten, die sich monarchistischen Geheimorganisationen angeschlossen hatten, zu entlassen. Die Verfügung der Braunschweigischen Regierung hat folgenden Wortlaut: „Die bei der Polizeidirektion Braunschweig beschäftigten Beamten, Angestellten und Arbeiter, einschließlich derjenigen der Schutzabteilung, von denen feststeht, daß sie dem Bunde der Frontsoldaten „Stahlhelm“ oder ähnlichen Vereinigungen angehören, oder die durch Handlungen gezeigt haben, daß sie werbend oder fördernd für derartige Vereinigungen eintreten, sind soweit sie auf Kündigung angestellt sind, für den Polizeidienst als ungeeignet anzusehen und daher sofort aus dem Dienst zu entlassen.  … Allen  … wird hiermit die Mitgliedschaft im Bunde der … und ähnlicher Vereinigungen aus dem oben angegebenen Grunde untersagt. Zuwiderhandlungen… werden im Wege des Disziplinarverfahrens geahndet werden.“ Dieser Verfügung ist so sachlich gehalten, daß auch der Reichsminister des Innern, dessen Hilfe die Reaktionäre erbeten haben, sie nicht außer Kraft setzen kann. Der Braunschweiger Regierung steht schwerwiegendes material über das Treiben der Geheimorganisation zur Verfügung, und es ist anzunehmen, daß auch die Reichsregierung über den Charakter des „Stahlhelm“-Bundes unterrichtet ist. Als erfreuliches Zeichen muß die Tatsache gebucht werden, daß die Braunschweiger Regierung sich durch den eingeleiteten Protestrummel von interessierter Seite nicht beirren ließ. Die Entlassung der 54 Schutzbeamten, die dem „Stahlhelm“ angehörten, ist gestern erfolgt.“

In dem Buch „Polizei im Rückspiegel – Die Geschichte der Polizeidirektion Braunschweig“ von Volker Dowidat wird der Sachverhalt auf Seite 73 und 74 beschrieben. Ergänzend heißt es dort: „Die Leitung des „Stahlhelm“ hat Beschwerde beim Reichsminister des Innern eingereicht. Den Entlassenen werden vom Stahlhelm finanziell unterstützt und erhalten ihre Gehälter von dort. Die bürgerliche Presse in Braunschweig habe die Vorgänge scharf kritisiert. Eine andere Position beschreibt der Braunschweiger „Volksfreund“ in seiner Ausgabe vom 9.August 1921: „Endlich. Polizeibeamte eines republikanischen Staatswesens, die Mitglieder einer Vereinigung sind, in der unverhohlen aud en Sturz der bestehenden Staatsordnung hingearbeitet wird, zu dessen Ehrenvorsitzenden erst letztens hier in Braunschweig ein General ernannt worden ist, der sich in den Kapp-Tagen offen zu jenem alldeutschen Hochverräterklüngel bekannt hat, Polizeibeamte, die einem solchen Verein angehören, haben in der Polizeitruppe unseres Freistaates nicht zu suchen. …

Ein Verbot des Freistaates Braunschweig, den „Stahlhelm“ verbieten zu lassen, scheiterte vor dem Verwaltungsgericht. Volker Dowidat schreibt, dass „die Polizeien in anderen Ländern daher auch einen Teil der entlassenen Beamten aufnahm. Auch in den folgenden Jahren wurde der Vorfall noch mehrmals öffentlich erörtert. Die jeweiligen Gesuche um Rehabilitation der Entlassenen wurden jedoch stets abgewiesen. Das änderte sich erst mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, die es sich nicht nehmen ließen, die 54 entlassenen Polizeibeamten ungefragt zu Vorkämpfern der Bewegung zu machen.“

Hintergrundinfos zum Bund der Frontsoldaten „Stahlhelm“: https://de.wikipedia.org/wiki/Stahlhelm,_Bund_der_Frontsoldaten

———————————————————-

Am 26. August 1921 wurde dann Matthias Erzberger erschossen. https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Erzberger

Zusammenstellung / Abschrift: Ralf Hermes, 19.04.2020

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.