Sammlung von Berichten über den Ortsverein Hehlen des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Hehlen ist eine Gemeinde im Landkreis Holzminden in Niedersachsen und gehört zur Samtgemeinde Bodenwerder-Polle. Folgende Infos liegen vor:
01. August 1926. Zeitung „Das Reichsbanner“. Gaubeilage Hannover:
Abschrift: Hehlen (Weser). Bannerweihe am 11. und 12. Juli. Bleifarben der Himmel; feiner Sprühregen rieselt hernieder, als wir uns auf Len Weg machen, um unsern Reichsbannerkameraden in Hehlen bei der Bannerweihe treu zur Seite zu stehen. Schon auf der Hälfte des Weges lugte ab und zu, ein kleines Wölkchen aus der Dunstschicht. Amelgatzener Reichsbannerkameraden überholen uns; stolz voran ihr Bannerträger. Sie hatten schon beim Durchfahren der Bergdörfer für die Reichsfarben Schwarz-Rot-Gold geworben; sich nicht einschüchtern lassen durch den Flaggenwulst Schwarzweißrot anläßlich der Fahnenweihe der Deutschnationalen Volkspartei in Ottenstein, sondern um so freudiger ihre Reichsfarben zur Schau getragen. Ernste Staatsbürger, treu zur alten deutschen Reichsfahne sich bekennend; nicht feige sich vor den Feinden der Farbe Schwarz-Rot-Gold und insbesondere der deutschen Republik verkriechend!
Schon von weitem leuchten uns aus Hehlen die lieben Farben Schwarz-Rot-Gold entgegen. Das idyllisch an der Weser gelegene Dorf Hehlen hatte Festschmuck angelegt. Man merkte, daß man zu Freunden kam, Latz liebevolle Hände sich emsig bemüht, dem Ort ein festliches Gewand anzuziehen, zu Ehren der deutschen Republik und zu Ehren seiner heutigen Gäste. Es berührte angenehm, zu wissen: der größte Teil der Einwohnerschaft Hehlens steht mit vollem Herzen zur Republik.
Wir fanden unsre Hehlener Freunde immer noch in Angst und Bangen: wird das Hochwasser der Weser noch steigen? Werden wir gezwungen werden, die Zelte abzureißen? Glückliche Gesichter, als die Meldung von Holzminden kam: daß Hochwasser fällt! Wenn auch das schlechte Wetter viele Reichsbannerkameraden abgehalten hat, sich in Hehlen einzufinden, so hatten sich doch die Ortsgruppen Bodenwerder, Kemnade, Dielmissen, Tündern, Kirchohsen, Amelgatzen, Pegestorf, Hameln, Gr.-Berkel eingefunden, um bei der Bannerweihe Pate zu stehen.
Um 2 1/2 Uhr setzte sich der Festzug vom Festplatz nach dem Schulhof in Bewegung. Ein stattlicher Zug von 330 Reichsbannerkameraden mit ihren Fahnen, denen sich die Freiwillige Feuerwehr Hehlen und der Männergesangverein Koncordia Hehlen angeschlossen hatte, legten Zeugnis von dem Treugedanken zur Republik ab. Nach der Begrüßungsansprache durch den Vorsitzenden der hiesigen Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Kameraden Klenke, bestieg der Kreisleiter des Kreises Hameln, Kamerad Schliecker, die Tribüne zur Festrede und Bannerweihe. In tiefempfundener, zu Herzen gehender Rede, dem die Worte zugrunde lagen „Einigkeit und Recht und Freiheit“, nahm der Redner Veranlassung, auch den noch Fernstehenden ans Herz zu legen, durch Eintritt in die Reichsbannergruppen für Stärkung des Staatsgedankens zu sorgen. Im Innern hat die Republik genügend Feinde, sie in Schach zu halten, an der Ausführung ihrer reaktionären Pläne, ihren Morden an ihnen nicht genehmen Männern der Republik einen Wall entgegenzusetzen, hat jeder anständig denkende Staatsbürger alle Veranlassung. Redner erinnert« an die Leiden der wirklichen, sich nicht immer damit brüstenden Frontkämpfer. Dazu übergehend, daß es uns heute leider nicht vergönnt sei, an den aus unbekannten Gründen noch nicht fertiggestellten Denkmal zu Ehren der im Weltkrieg gefallenen Brüder einen Kranz niederzulegen, fand der Redner Worte, welche auch manchem harten Manne Tränen in die Augen trieben. Lautlose Stille trat ein, als die Kapelle das Lied vom alten Kameraden intonierte. Schweigend verharrte die Menge im Gedenken an unsre Gefallenen. Alsdann nahm Kamerad Schliecker die Weihe der Fahne vor.
Die Frauen der Reichsbanner-Ortsgruppe Hehlen überreichten eine Fahnenschleife. Mit Dankeswarten des Kameraden Klenke und Absingen eines Verses des Deutschlandliedes „Einigkeit und Recht und Freiheit“ fand die Weihefeier ihren Abschluß.
Im Internet auf der Seite der SPD-Unterbezirk Holzminden bin ich auf folgenden Beitrag vom 09.10.2014 gestoßen:
Zahn der Zeit nagt an historischem Schmuckstück aus Hehlen
Fahnen waren in der früheren Zeit der Sammelpunkt für die Mitglieder, z.B. während Aufmärschen oder auch bei Festivitäten. Deswegen hatte früher auch jeder Verein seine eigene Fahne. Heute wird so eine Vereinsfahne nur noch selten herausgeholt, weiß Jörg Ebeling zu berichten. Der Vorsitzende des SPD Ortsvereins Hehlen blickt allerdings mit sorgenvoller Miene auf die historische Vereinsfahne.
Der Zahn der Zeit hat doch sehr an diesem wertvollen Stück genagt. Im Unterbezirk Holzminden der SPD gibt es bei rund 20 Ortsvereinen nur noch gerade mal 3 Fahnen, die die dunklen Jahre von 1933 bis 1945 überlebt haben – eine davon in Hehlen. Aber diese Fahne bedarf dringend der Restaurierung und für den Ortsverein Hehlen ist das eine Herkulesaufgabe. Wir sprechen hier von einem Kostenpunkt für den Erhalt der Fahne von rund 1.300,00 €. Zwar ist der SPD – Ortsverein Hehlen einer der größeren Ortsvereine im Kreis Holzminden – aber, ein Ortsverein ist kein Sparverein. Die vorhandenen Geldmittel sind knapp. Aber, wir sind fest entschlossen, diese Fahne, für die Parteimitglieder sogar ihr Leben riskiert haben, unbedingt zu erhalten, so Jörg Ebeling. Über Unterstützung zum Erhalt der Fahne würde sich der SPD – Ortsverein natürlich sehr freuen.
Und wenn man die Geschichte der Fahne hört, dann ist schon beeindruckend welche bewegte Historie hinter ihr liegt. Die Fahne wurde 1926 von den jüdischen Hehlener Kaufleuten David und Alex Bach dem neu in Hehlen gegründeten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gestiftet. Die Fahne hat damals die stolze Summe von 480,00 Reichsmark gekostet. Das Reichsbanner war eine Organisation der SPD und der demokratische Gegenentwurf zu den Krawallbrüdern der SA. 1926 ist auch das offizielle Gründungsdatum des SPD – Ortsvereins Hehlen. Nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 und dem Verbot der SPD wurde die Fahne von treuen Parteimitgliedern versteckt und eingemauert. Als dann die braunen Horden die Fahne holen und vernichten wollten, behauptete man einfach, die Fahne wäre bereits abgeholt. Da sich die Kreisleitung der NSDAP mit dieser Aussage noch nicht zufrieden gab, musste der Hehlener Bürger und ehemaliges SPD – Mitglied Heinrich Klenke noch dreimal bei der Kreisleitung zum Verhör erscheinen. Diese Aussage wird mit dem Wissen, dass in seinem Haus die Fahne eingemauert war, noch lebensgefährlicher.
So aber überlebte sowohl die Fahne, als auch Heinrich Klenke den Krieg. Heinrich Klenke war nach dem Krieg der erste Gemeindedirektor in Hehlen. Auch die Brüder David und Alex Bach überlebten, teilweise auf dramatiche Art und Weise den Krieg-allerdings nur dadurch, dass sie Hehlen und ihre Heimat Deutschland verließen.
Auch diesen Menschen zum Angedenk soll die Fahne erhalten werden und weiterhin auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, so Jörg Ebeling. Sie ist untrennbar mit der Geschichte des SPD – Ortsvereines, aber auch mit der Historie Hehlens verbunden, erzählt sie doch von einem dunklen Kapitel, Vertreibung, aber auch von mutigen Menschen, die für ihre Überzeugung einstehen.
Stand: 16.08.2024
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