„Die Noskegarde“ von Ernst Heilmann. Quellendokument aus dem Jahr 1919

Hameln, 09.01.2022:

Broschüre, Vorwärts Buchverlag, 1919, 24 Seiten. Download am Ende des Berichtes.

Zunächst ein Kurzinfo zum Autor:

Ernst Heilmann, * 1881 in Berlin, trat mit 17 der SPD bei, studierte Rechts- und Staatswissenschaften, der Vorbereitungsdienst wurde ihm aufgrund seiner politischen Aktivitäten im Kaiserreich verweigert. Arbeitete ab 1909 als Chefredakteur der sozialdemokratischen Chemnitzer Volksstimme. Er verbüßte 1911 eine halbjährige Freiheitsstrafe wegen Majestätsbeleidigung. 1914 organisierte die SPD-Kundgebungen gegen drohenden Krieg. Heilmann trat hier als Redner in Chemnitz auf. Später gehörte er während des Ersten Weltkrieges zu den Befürwortern der Burgfriedenspolitik. Heilmann meldete sich 1915 als Kriegsfreiwilliger, kehrte 1916 schwer verwundet und auf einem Auge blind von der Front zurück. Von Charlottenburg aus publizierte er in Sinne der Mehrheitssozialdemokratie und galt als Sprachrohr des ausgeprägt nationalen rechten Flügels der SPD. Er zählt zu den Mitbegründern des Reichsbund der Kriegsbeschädigten. In den Wochen der Novemberrevolution versuchte Heilmann die Geschehnisse im sinne der Parteirechten zu beeinflussen. Er gehörte zu den Befürwortern der parlamentarischen Demokratie. 1919 erhielt er einen Sitz in der Preußischen Landesversammlung und gehörte während der gesamten Jahre der Weimarer Republik der SPD Fraktion an. Nach dem Kapp-Putsch 1921 als ihr Vorsitzender. Er leitete ab 1929 die Redaktion der Wochenzeitschrift „Das freie Wort“ und schrieb hier auch unter dem Pseudonym „IIIo“

Am 26. Juni 1933 verhaftet wurde er nach Stationen in verschiedenen Konzentrationslagern am 3. April 1940 durch den SS-Hauptscharführer Martin Sommer mit einer Giftspritze hingerichtet.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Heilmann  


Auszüge aus der Broschüre:

Seite 3:

Gegen die Freiwilligentruppen geht eine starke Empörung durch die Arbeiterklasse. Die Freiwilligen werden als weiße Garde der Reaktion betrachtet und mit den schärfsten Mitteln bekämpft. In tausenden gewerkschaftlichen und politischen Zusammenkünften ist der Beschluß durchgesetzt worden, jeden, der nach dem 1. Mai 1919 noch im Freiwilligenheere, in der Reichswehr bleibt, für alle Zukunft zu boykottieren und nicht wieder in den Betrieb hereinzulassen, jede Zusammenarbeit mit ihm abzulehnen, ihn zu „meiden wie die Pest“. Über den Kreis der Kommunisten und Unabhängigen hinaus betrachtet auch die sozialdemokratische Arbeiterklasse die Freiwilligen mit großem Mißtrauen und Mißbehagen.

Die alte, wohlbegründete Abneigung des Volkes gegen den ganzen militärischen Apparat, der Abscheu vor dem Blutvergießen und Menschenmorden verstärken die freindselige Stimmung gegen die Reichswehr. Nicht wenige mehrheitssozialistische Arbeiter empören sich bei dem Gedanken, daß nun auch die Regierung, in der die Sozialdemokratie den stärksten Einfluß hat, Gewaltpolitik treibe, einem neuen Militarismus großzüchte und mit dem Belagerungszustande regiere, wie früher die alten Esel der Reaktion. Mißtrauen und Unwill haben tief gefressen: das bloße Erscheinen von Regierungstruppen genügte z.B. in Jena, um die dortigen Sozialdemokraten zu veranlassen, einen Generalstreik mitzumachen…

Es folgt eine Auseinandersetzung mit den Grundgedanken der Unabhängigen Sozialdemokraten, deren Lehren Heilmann als falsch darstellt. Die Unabhängigen hatten während des ganzen Krieges „wissentlich oder unwissentlich das Volk belogen und betrogen“.

Anschließend setzt sich Heilmann mit dem „Übermut und die Unvernunft der früheren Beherrscher Deutschlands“ auseinander. „seit dem Juli 1918 war der Krieg für Deutschland verloren, seine rascheste Liquidation das Gebot der Stunde.“

Im Folgenden beschäftigt sich Heilmann mit der Frage, wer die Revolution gemacht habe, die er in erste Reihe als eine Folge der Niederlage betrachtet. Er beschrieb anschließen die Ereignisse des 9. November aus seiner Sicht. „Scheidemann habe im Kabinett bereits am frühen Morgen des 9. November durchgesetzt, daß dem Militär jeder Waffengebrauch, jeder bewaffnete Widerstand untersagt wurde. Die Waffenausteilung am Nachmittage nach dem Siege der Revolution an Waffenkundige und Waffenunkundige, Vertrauenswürdige und Gewissenlose führte nur zu vielen zwecklosen Schießereien und unnützem Blutvergießen. Wenn am unblutigen Sieg der Revolution ein Mann ein besonderes Verdienst hat, dann ist es Philipp Scheidemann!

Die nachfolgenden Einschätzungen und Erläuterungen sind interessant und geben einen Einblick in die Spannungen der Tage. Heilmann beschriebt das Agieren von Karl Liebknecht und der Spartakusgruppe und der Gegensatz zum Aufruft Friedrichs Eberts, der „zu Abwendung von Bürgerkrieg und Hungersnot aufforderte, für Ruhe und Ordnung zu sorgen und die Straße zu verlassen.“ Er zitiert die Rote Fahne vom 10. November: „Wir fordern im Gegenteil dazu auf, nicht die Straßen zu verlassen, sondern bewaffnet zu bleiben und in jedem Augenblick auf der Hut zu sein.“ Der Spartakusbund habe den schärfsten Kampf gegen die Revolutionsregierung der Volksbeauftragten proklamiert und sich von vornherein entschlossen gezeigt, „ihn mit den Mordwaffen in der Hand auszutragen.

Im folgenden beschreibt Heilmann die „ersten Bluttage“. Er beschreibt die Mißhandlungen durch Angehörige der Volksmarinedivision insbesondere gegenüber den Stadtkommandanten Otto Wels, der von den Matrosen verhaftet worden war. „Seine Marterung und Bedrohung ging dann vom Abend des 23. Dezember bis zum Morgen des 24. Dezember ununterbrochen weiter. Man riß ihm sämtliche Kleider vom Leibe, bis er in bloßem Hemde dastand, und schlug ihm die Stiefel mit dem Kolben in Fetzen von den Füßen. Man stellte ihn alle paar Stunden an die Wand mit der Drohung, daß nun sein letztes Stündlein geschlagen habe und daß man ihn erschießen werde. Alle Bemühungen um die Befreiung der Verhafteten, alle Verhandlungen blieben ergebnislos. In der Nacht teilte Radtke, der mit Dorrenbach die Führung der Volksmarinedivision hatte, der Regierung mit, daß er nicht länger für das Leben von Wels einzustehen vermöchte. Daraufhin gaben die in der Reichskanzlei anwesenden drei Volksbeauftragten Ebert, Landsberg und Scheidemann den Truppen den Befehl, Wels mit Gewalt zu befreien.“ Es folgte die Beschießung des Marstalls mit Artillerie. „Erst unter der Wirkung des Geschützfeuers gaben die Matrosen endlich Wels und Bongard frei.“

Soweit die Abschrift / Auszüge für einen ersten Einstieg. Hier das gesamte Dokument als PDF (8,6 MB):  


Ein anderes Original ist im Internet als digitales Dokument auch auf der Homepage des MDZ (Digitale Bibliothek Münchener DigitalisierungsZentrum) auch hier nachzulesen:

https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11125983?page=13


Zusammenstellung am 09.01.2022. Originaldokument Sammlung Republikpolizei, herral

Siehe auch:


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