Landjägertod – Landjägerschicksal: Oberlandjäger Bauermeister aus Königshain („Der Gendarm 1924“)

Aus dem Fachblatt für die dienstlichen und wirtschaftlichen Interessen der Landjägerei. Zeitschrift des Verbandes Preußischer Landjägerbeamten E.V. vom 6. Januar 1924

Wieder ein bestialischer Mord an einem Landjäger-Beamten.

In der Nacht vom 6. zum 7. Dezember 1923 ist der Kam. OL Bauermeister in Königshain von drei Görlitzer Verbrechern ermordet worden. Diese waren mit dem Vorsatz nach Königshain gekommen, Einbrüche zu verüben und jedes ihnen etwa entgegentretende Hindernis gewaltsam zu beseitigen. Einer der Verbrecher war mit einem Totschläger und ein andere mit einem Revolver ausgerüstet.Kam. Bauermeister traf die Verbrecher auf der Dorfstraße mitten in Königshain und hielt sie an. Sie wurden sofort frech und griffen den Kam. Bauermeister tätlich an. Der verteidigte sich anfangs mit dem Säbel. Als er aber fast überwältigt wurde und von einem der Verbrecher einen Schlag mit einem Totschläger über den Kopf erhielt, wodurch ihm die Schädeldecke zertrümmert wurde und er in die Knie sank, griff er zur Pistole und verwundete einen Verbrecher durch einen Bauchschuß.

Der angeschossene Verbrecher wurde am nächsten Tage in das Görlitzer Stadtkrankenhaus eingeliefert, und dadurch konnten die Mitbeteiligten ermittelt und hinter Schloß und Riegel gebracht werden.

Nachdem Kam. Bauermeister den einen Verbrecher verwundet hatte, erhielt er von dem zweiten, mit dem Revolver ausgerüsteten Verbrecher einen Kopfschuß von hinten aus allernächster Entfernung, wodurch der sofortige Tod des braven Kameraden herbeigeführt wurde.

Trotzdem die Hilferufe des Beamten von Einwohnern gehört wurden, ist ihm niemand zur Hilfe geeilt. Es wäre nicht ausgeschlossen gewesen, daß die Verbrecher verscheucht worden wären, ehe der verhängnisvolle Schuß auf den Kam. Bauermeister abgegeben wurde. Andererseits hätten die Verbrecher auch auf frischer Tat ertappt und verhaftet werden können und der Kam. wäre vielleicht mit dem Leben davongekommen, wenn ihm sofort Hilfe gebracht worden wäre.

Kam. Bauermeister hinterläßt außer seiner Frau ein 5jähriges Töchterchen.

Rehls, Oberlandj. und Obmann d. V.-G. Görlitz



Folgebericht der Gerichtsverhandlung in der Zeitung „Der Gendarm“ vom 16.03.1925:

Am 31.1.1924 hat vor der Strafkammer in Görlitz die Verhandlung betr. Tötung des Kam. O.-L. Bauermeister stattgefunden. Vergl. „Gendarm“ Nr. 1,S.2. – Der Obmann der B.-Gr. Görlitz gibt in einem Schreiben der Entrüstung darüber Ausdruck, daß die Anklage nicht auf Mord sondern nur auf Körperverletzung mit Todesfolge lautete, daß die verhängten Strafen zu milde seien, und daß die Ldj.-Beamten, die der Verhandlung beiwohnen wollten, sich auf Anordnung des Richters aus dem Zuhörerraum entfernen mußten, während der Anhang der Verbrecher im Saale verbleiben durfte. Aus berufener Feder erhalten wir hierzu folgende Darlegung:

Am 31. Januar 1924 beschäftigte sich die Strafkammer des Landgerichts in Görlitz mit der am 7. Dezember 1923 in Königshain erfolgten Tötung des Oberlandjägers Bauermeister. Von den 3 Angeklagten wurde einer wegen Totschlags zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, die beiden anderen erhielten wegen gefährlicher Körperverletzung je 2 Jahre Gefängnis zuerkannt. Dies Urteil hat in den Kreisen der Landjäger Niederschlesiens lebhaftes Befremden erregt; einmal weil keine Bestrafung der Täter wegen Mordes erfolgt ist, zum anderen weil die erkannten Strafen zu gering erscheinen. wir haben uns infolge der an uns gelangten Beschwerden bemüht, der Angelegenheit auf den Grund zu gehe, und haben dabei feststellen können, daß eine Bestrafung der Täter oder auch nur des Haupttäters wegen Mordes gar nicht in Frage kam. Denn dazu wäre der – von der Staatsanwaltschaft zu führende – Nachweis erforderlich gewesen, daß die Angeklagten die Tötung Bauermeisters vorsätzlich und mit Überlegung ausgeführt haben, d.h. sich der von der Handlung abhaltenden Motive bewußt gewesen sind und sie gegen die sie zur Handlung drängenden Motive abgewogen haben (Frank (8.-10.), Anm. I2 zu §211 StGB.). Das Vorhandensein einer solchen Überlegung, und zwar im Augenblick der Ausführung, nicht in dem des Beschlusses der Tat, unterscheidet gerade den Mord vom Totschlag (§ 212 StGB.), und diese Art der Unterscheidung bringt es mit sich, „daß nur in den seltensten Fällen die Tötung als Mord sich qualifizieren läßt“ (…) Im vorliegenden Fall ließ sich nur auch dem Haupttäter nicht nachweisen, daß er im Augenblick der Abgabe des tötlichen Schusses auf Bauermeister mit Überlegung gehandelt hat; es sprechen sogar alle Begleitumstände dagegen, daß dies Tatbestandsmerkmal des Mordes vorlag. Denn die 3 Angeklagten waren abends (nach Eintritt der Dunkelheit) nach Königshain gegangen, um dort in einer Bauernwirtschaft, deren Räumlichkeiten der Haupttäter kannte, Kartoffeln für ihren Bedarf zu stehlen, und konnten nicht darauf gefaßt sein, dem auf der Dorfstraße patrouillierenden Oberlandjäger Bauermeister zu begegnen. Noch weniger konnten sie erwarten, bei Annäherung an die betreffende Wirtschaft durch Hundegebell verscheucht, auf dem Rückweg nach Görlitz dem Oberlandjäger Bauermeister nochmals zu treffen. Erst bei dieser zweiten Begegnung hielt der Beamte die Angeklagten, die ihm auffielen, an und forderte sie auf, zweck Personalienfeststellung nach einem nahe gelegenen Gasthof mitzukommen. Auf dem Weg dorthin leisteten nun die Angeklagten dem Oberlandjäger Widerstand; dieser kam bei dem sich entspinnenden Handgemenge zu Fall und wurde von den Tätern gemeinschaftlich mißhandelt, bis es ihm gelang, eine von ihnen durch einen Pistolenschuß kampfunfähig zu machen, worauf ein zweiter fortlief. Der dritt, der sich jetzt dem Oberlandjäger allein gegenübersah und befürchten mußte, ebenfalls von ihm angeschossen zu werden, gab nun auf Grund eines neuen Vorsatzes den tötliche Schuß auf ihn ab, und zwar, wie nach den vorstehend kurz wiedergegebenen tatsächlichen Feststellungen nicht zweifelhaft sein kann, im Affekt, d.h. ohne Überlegung im Sinne des § 211 StGB. hiernach konnte nur ein Angeklagter der vorsätzlichen Tötung, und zwar des Totschlags, für schuldig befunden werden, während die beiden anderen wegen gefährlicher Körperverletzung zu bestrafen waren. Auf Totschlag steht Zuchthausstrafe von 5 bis zu 15 Jahren, auf gefährliche Körperverletzung Gefängnisstrafe von 2 Monaten bis 5 Jahren, im Falle des Vorliegens mildernder Umstände Gefängnisstrafe von einem Tag bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bis zu 1000 Mark. Nun hat das Gericht gegen keinen der Täter auf die gesetzliche Höchststrafe erkannt, also offenbar auf Grund des Vorlebens der Angeklagten, über das sich vor allem aus den Strafregisterauszügen ein Urteil gewinnen läßt, die Überzeugung erlangt, daß keiner von ihnen bereits völlig verdorben war, das Verbrechen zum Lebensberuf erkoren hatte und daher möglichst lange unschädlich gemacht werden mußte. Schied aber bei Bemessung der Strafen der Gesichtspunkt der Unschädlichmachung aus, so blieb gegenüber erwachsenen Tätern nur derjenige der Abschreckung übrig, und dieser Strafzweck ist durch die erkannten Strafen, von denen die des Haupttäters der gesetzlichen Höchststrafe doch beträchtlich nahe kommt, wohl zu erfüllen.

Daß der Vorsitzende der Strafkammer die als Zuhörer zur Hauptverhandlung erschienenen Landjäger aus dem Sitzungssaal gewiesen hat, wie uns mitgeteilt worden ist, trifft allerdings zu; jedoch ist diese Handlungsweise rechtlich nicht zu beanstanden. Zu dem nur 25 Plätze fassenden Zuhörerraum des Strafkammersaals waren, wie wir festgestellt haben, Einlaßkarten ausgegeben worden, die sich jedermann, solange sie nicht vergriffen waren, besorgen konnte. Das hatte aber keiner der Landjäger, die der Verhandlung beizuwohnen wünschten, getan, sondern diese erschienen bei Aufruf der Sache in dem den Prozeßbeteiligen vorbehaltenen Raum zwischen Richtertisch und Zeugenbänken, und zwar in einer so großen Anzahl, daß der freie Ausblick der Richter nach der Anklagebank hin verdeckt wurde. Nun sind „Maßregeln, welch darauf abzielen, eine Überfüllung des für die Zuhörer bestimmten Raumes zu verhindern, durchaus statthaft“(…), ersts recht also Maßnahmen um eine Überfüllung des nicht für Zuhörer bestimmten Verhandlungsraums vorzubeugen. Allerdings war es im vorliegenden Falle in erster Linie wohl eine Frage des Taktes und der Rücksichtnahme auf die Landjäger, auf deren Tätigkeit und Berufsfreudigkeit als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft die Strafjustiz vollkommen angewiesen ist, und die an der den Tod eines Kameraden in Ausübung seines Dienstes betreffende Verhandlung ein erhebliches Interesse haben mußten, ob nicht der Vorsitzende wenigstens einigen von ihnen die Anwesenheit in dem nicht für Zuhörer bestimmten Teil des Sitzungssaals gestatten konnte, nachdem die Einlaßkarten für den Zuhörerraum vergriffen waren. Etwas mehr Entgegenkommen in dieser Hinsicht wäre bei solchen Aufsehen erregenden Hauptverhandlungen in Zukunft Beamten des Sicherheitsdienstes gegenüber dringend erwünscht.

Zu fordern aber ist , daß auf solche Fälle der Tötung eines Landjägers in Ausübung seines Dienstes das Unfallfürsorgegesetz zur Anwendung kommt, und daß den Hinterbliebenen der Höchstpensionssatz gewährt wird.

Aktualisierung am 04.09.2021, herral

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