Quellendokument: „Gemeingefährliche Polizei in Sachsen“ – Nds. Volksstimme vom 19.12.1932

Abschrift: Niedersächsischer Volksstimme vom 19.12.1932, Nr. 292, 14. Jahrgang:

Gemeingefährliche Polizei in Sachsen „

Nazi-Polizeibeamte überfallen harmlose Spaziergänger

Dresden, 16. Dez. Die sozialdemokratische Fraktion im Sächsischen Landtag brachte einen Antrag ein, in dem auf eine Versammlung nationalsozialistischer Polizeibeamter Bezug genommen wird, die dieser Tage in Leipzig stattfand. An der Versammlung nahmen etwa 80 bis 100 Polizeibeamte, darunter 5 Polizeioffiziere, teil. In dem Antrag heißt es:

„Am 8. Dezember 1932 hat in Leipzig in Ulrichs Bierpalast eine Versammlung von nationalsozialistischen Polizeibeamten stattgefunden, in der etwa 80 bis 100 Polizeibeamte, darunter 5 Polizeioffiziere, anwesend waren. Der von seinem Dienst suspendierte Polizeihauptmann Schmidt aus Chemnitz hat in der Versammlung Staatsorgane beschimpft und der Polizeiwachtmeister Seifert aus Chemnitz hat in Aussicht gestellt, daß „am Tage der Üebernahme der Macht durch die Nationalsozialisten alle republikanischen Beamten entlassen würden“. Im übrigen ist in der Versammlung eine maßlose Hetze gegen alles, was republikanisch ist, getrieben worden. Als die so verhetzten Versammlungsbesucher nach Schluß der Versammlung beim Verlassen des Lokals auf die Straße traten, gingen zufällig auf der gegenüberliegenden Straßenseite etwa acht Reichsbannerleute vorbei. Sofort stürmten unter der Anführung von zwei uniformierten Nazis etwas 40 bis 50 der Versammlungsbesucher auf die Reichsbannerleute los, die nach kurzem Wortwechsel von der Uebermacht gefährlich verprügelt wurden. An dem Ueberfall waren auch Polizeibeamte und -offiziere in Zivil beteiligt, die unter Mißbrauch ihrer Dienstwaffen ebenfalls auf die überfallenen Reichsbannerleute einschlugen. Sieben Reichsbannerleute wurden geschlagen, darunter fünf mit Schlagringen verletzt. Vier von den Verletzten mußten sich in ärztliche Behandlung begeben. Einer leidet noch jetzt unter den Folgen der Verletzungen.

Einige Polizeibeamte in Zivil riefen den überfallenen Reichsbannerleuten zu: „Polizei!“ Dann zeigten sie flüchtig ihren Ausweis und schlugen gleichzeitig mit Schlagringen wild auf die Ueberfallenen ein. Ein Polizeibeamter in Zivil, der als Schläger von dem anrückenden Ueberfallkommando ergriffen wurde, sagte: „Kameraden, laßt mich doch, ich bin Polizei“. Nach Zeugenaussagen hat sich der Polizeihauptmann Knofe an dem Ueberfall beteiligt. Der Polizeihautwachtmeister Schmalfuß war mit Knofe zusammen. Der Polizeihauptmann Rost war zur Zeit des Ueberfalls in unmittelbarer Nähe. Polizeihauptwachtmeister Wilke hat zu den vorbeigehenden Reichsbannerleuten gesagt: „Macht euch fort, sonst gibt’s Dresche“, im gleichen Augenblick hat er auch schon mit einem Schlagring auf die Ueberfallenen eingeschlagen. Auf der Wache hat Wilke gesagt: „Wenn ich meine Pistole gehabt hätte, dann hätte ich sie alle über den Haufen geschossen.“ Polizeiwachtmeister Ortmann ist von Zeugen überführt, daß er „tüchtig zugeschlagen“ hat, Polizeihauptwachtmeister Kümmel war ebenfalls bei dem Ueberfall. ER ist derselbe Mensch, der vor kurzem mit dem Polizeidiensthund eine Nazi-Klebekonne geschützt hat.

Die Regierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die Bevölkerung vor solchen gemeingefährlichen Polizeibeamten geschützt wird und die Schuldigen streng bestraft und aus der Polizei entfernt werden.



Quelle: Stadtarchiv Hameln


herral, 19.09.2023

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