Quellendokument: „Der Vater fällt“

Zeitung Das Reichsbanner vom 11. April 1931, Beilage…

Der Vater fällt

Als mein Vater auch in den Krieg mußte,

war meine Mutter mit mir ganz alleine in der Welt,

und weil wir hungerten, mußte sie in eine Fabrik

und Granaten drehn, und ich war allein –

mußte meine Mutter Granaten drehen,

und mein Vater war im Krieg, und ich war allein –

Meine Mutter war nicht sehr gesund und nicht jung

und mußte lange Stunden – Jahre an den Maschinen stehn,

damit meine Mutter Brot für mich hatte.

Daß ich nicht immer abends hungrig ins Bett mußte,

ging sie jeden Morgen um sechs zur Arbeit und ließ mich

Und stellte mir Kaffee auf den Tisch und eine Scheibe Brot

und sagt: es ist noch Zeit, Walter, wenn der Wecker schlägt,

          stehst du auf,

aber jetzt noch schafe ein. –

Abends holte ich meine Mutter ab am Fabriktor,

und wenn meine Mutter kam, war ich froh.

Dann lasen wir zu Haus die Zeitung

und suchten nach einem Ort in Rußland,

wo mein Vater war und fanden ihn nie.

Und einmal kam ein Brief, als ich allein zu Haus war

und Schularbeiten machte,

und als meine Mutter nach Haus kam,

zitterte sie, als sie den Brief sah und fiel hin,

und ich schrie: Mutter! Weil sie hinfiel,

und da war´s da

ließ mein Vater meine Mutter und mich allein.

Walter Bauer.

Herral, 11.06.2023

Siehe auch:

https://republikpolizei.de/archive/9767

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