Aufruf zur Eisernen Front – Für Volksrechte – Gegen Diktatur!

Vossische Zeitung vom 26.01.1932 – Morgen-Ausgabe:

An alle deutschen Männer und Frauen freiheitlicher Gesinnung!

Abschrift:

Vorbei sind die Monate der bloßen Verteidigung uns Abwehr! Das Deutschland der Republik und Demokratie steht auf für Volksrechte gegen Diktatur. Widerstandswillen ist aufgeflammt in allen deutschen Gauen. Es hat keiner Propagandakünste und keiner Befehle bedurft. Ein Anstoß – wenige organisatorische Hammerschläge genügten: in Stadt und Land wuchs empor die Eiserne Front für Volksrechte gegen Diktatur! Neben die Einheiten des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold traten die Arbeitersportler, und in den Betrieben formieren sich alle freiheitlich gesinnten Gewerkschafter als „Hammerschaften“ der Eisernen Front. Eine Millionenarmee – nicht für gewaltsame Angriffe, sondern wider aller Bürgerkriegspläne! Die Existenz dieser durch eine wahre Volkserhebung aufgerichteten Eisernen Front muß jeden Gedanken auf Raub politischer, gewerkschaftlicher und kultureller Freiheiten ersticken.

Die Eiserne Front ist keine Parteisache und will nicht eine sein. Ihr dienst gilt der bedrohten Freiheit des deutschen Volkes, der Erfüllung der Verheißungn in der Verfassung von Weimar.

Viele bittere Tage, harte Wochen und schwere Monate der Abwehr und des Ausharrens liegen hinter uns. Bis in die Fundament hat eine unerhörte Krise die deutsche Wirtschaft erschüttert, Industrie, Handel und Gewerbe sowohl wie Landwirtschaft. Millionen der besten deutschen Arbeiter, darunter hunderttausend Kriegsteilnehmer, stehen an den Stempelstellen; mit ihnen sind hochqualifizierte Angestellte, Techniker und Ingenieure zu qualvollem Feiernmüssen verurteilt. Tausend und aber Tausende junger, arbeitsdurstiger Männer und Frauen der freien Berufe sehnen den Tag herbei, der ihnen Gelegenheit gibt, die in jahrelangen Studien erworbenen Kenntnisse zu ihrem und des deutschen Volkes Nutzen zu verwerten. Sie alle leben von kärglicher Unterstützung oder sind angewiesen auf die Hilfe ihrer Familien. Wer ist noch sicher, daß nicht auch ihn und seine Familie die Lawine der Wirtschaftsnot in den Abgrund reißt? Der Arbeiter nicht und nicht der Angestellte. Der Bauer nicht und nicht der Handwerksmeister. Kein Unternehmer mehr – und sei er ein persönlich noch so einsichtiger und tüchtiger Mann – hat die Sicherheit, seinen Betrieb aufrechterhalten zu können. Ist ein Volk in Not, trifft´s auch die Beamten in Reich, Staat und Gemeinden.

Diese Zeit der Not wird seit Jahr und Tag verlängert und verschärft von herrschsüchtigen Egoisten, die für die Massen des Volkes zu Arbeitslosigkeit, zu Lohn- und Gehaltsabbau auch noch den Raub der Rechte eines freien Staatsbürgers fügen wollen. Mit Millionen, die von Lohn und Gehalt abgezogen wurden, sind Bürgerkriegsarmeen aufgestellt und ausgerüstet worden, werden ganz Schwärme von Schwadroneuren durch Stadt und Land geschickt, wird Propaganda bezahlt, die als „Retter“ der Verderber Detschlands anpreißt.

Der Kampf Deutschlands um Aufhebung der würgenden Reparationszahlungen ist jenen Leuten nur ein Mittel zur innenpolitischen Verhetzung.

Ein Volk, das sich durch Drohung mit Gewalt und bezahlte Demagogie das Recht der Selbstregierung nehmen läßt, wird nie die äußere Freiheit erringen und erhalten können.

Im Hitlerismus hat sich dies wirre Zeit einen gewalttätigen Götzen gegeben. Scharlatane fordern die unumschränkte Herrschaft über Leben und Tod, Arbeitskraft und Eigentum aller Deutschen. Nicht die Spur einer schöpferischen Idee – nichts weiter als Blutphantasien hat der sogenannte Nationalsozialismus aus eigenem hervorgebracht.

Großes steht auf dem Spiel – Großes muß von allen freiheitlich gesinnten deutschen Männern und Frauen in den kommenden Wochen und Monaten gefordert und geleistet werden.

In allen Bezirken des Reiches muß bis zum 21. Februar 1932 die Eiserne Front formiert sein. Kundgebungen am 21. Februar in ganz Deutschland müssen Freunden und Gegner die Wucht und Kraft der Eisernen Front sinnfällig vor Augen führen.

Gewaltige Geldmittel stehen den Feinden des Staates von Weimar zur Verfügung. Sie hoffen, durch Riesenaufwand an Propaganda die Demokratie niederringen zu können. Auch diese Spekulation wird und muß fehlschlagen. In allen Bezirken sind unverzüglich Maßnahmen zur Durchführung einer Rüstwoche der Eisernen Front zu treffen und öffentliche Sammellisten auszulegen.

Es gilt, der Zerstörung von Deutschlands letzter Wirtschaftskraft Einhalt zu tun; jetzt heißt es, die gewaltigen Energien, die allein die Demokratie zu entfesseln vermag, für die wirtschaftliche Gesundung Deutschlands einzusetzen. Voraussetzung dafür ist der Sieg der politischen Vernunft über die Propheten des Chaos.

Eiserne Front für soziale Gerechtigkeit!

Eiserne Front für für wirtschaftliche Gesundung!

Eiserne Front für außenpolitische Freiheit, Frieden und Völkerverständigung!

Eiserne Front wider alle Feinde der demokratischen Republik!

Eiserne Front für Volksrechte, gegen Diktatur!

Berlin, den 25. Januar 1932

Die Reichskampfleitung der Eisernen Front.

Vossische Zeitung vom 26.01.1932. Quelle: https://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/list/title/zdb/27112366/

Die Idee der Eisernen Front ist eigentlich die Idee der republikanischen Kapp-Abwehr. So wie vor zwölf Jahren der verbrecherische Anschlag der Putschisten an der entschlossenen Gegenwehr der Volksmassen scheiterte, so will man jetzt einem vielleicht andere Wege wählenden, doch in der Wirkung nicht minder verhängnisvollen Unternehmen vorbeugen, indem man die in den Massen ruhenden Abwehrkräfte rechtzeitig sichtbar macht. Eine Präventiv-Friedenssicherung also. Der bürgerfriedliche Charakter der Eisernen Front wird in dem Aufruf mit Recht betont. Die Wahl so kriegerischer Worte wie „Front“ und „Kampfleitung“ kann das nicht verdunkeln. Es wurde an dieser Stelle schon vor einiger Zeit ausgeführt, daß dem nüchternen Republikanertum solche Wortwahl eigentlich nicht wesensgemäß ist, daß sie aber zweckmäßig ist, um die Entschlossenheit und Tatfreude des republikanischen Abwehrwillens auch nach außen deutlich zu machen. Die eiserne Front ist eine Dachorganisation, hinter der etwa acht bis zehn Millionen Menschen stehen. Schreitet sie den Wünschen und Plänen ihrer Schöpfer entsprechend fort, so kann sie zur kräftigen Stütze friedlicher republikanischer Entwicklung werden.

In Berlin wird die Eiserne Front sich bereits am Sonntag, 31. Januar, an die Bevölkerung wenden. Ein großer Aufmarsch mit öffentlicher Kundgebung verbunden wird um 5 Uhr im Sportpalast beginnen.

https://dfg-viewer.de/show/?set%5Bmets%5D=https://content.staatsbibliothek-berlin.de/zefys/SNP27112366-19320126-0-0-0-0.xml


Hintergrundinformationen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Eiserne_Front

https://www.vorwaerts.de/artikel/1931-spd-gewerkschaften-eiserner-front-gegen-nazis

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/die-eiserne-front.html


Abschrift/Zusammenstellung: herral, 26.01.2022

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