Quellentext: Gründungsaufruf des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold vom 15.04.1924

Titelzeile des Gründungsaufrufs

Kriegsteilnehmer, Republikaner!

Männer, die im Zusammenbruch des kaiserlichen Deutschland die Nerven nicht verloren, haben auf republikanischer Grundlage das Deutsche Reich neu errichtet, geleitet und beseelt von dem einen Gedanken: Trotz verlornen Krieges darf das Reich nicht untergehen, staatliche Einheit ist die erste Voraussetzung zum nationalen Wiederaufstieg!

Das schwere Werk ist gelungen. In Weimar gab sich unser Volk eine neue Verfassung; aber noch bevor der Bau aus den Grundmauern geführt war, wurde er bestürmt, um seine Vollendung zu hindern. Die Brandfackel des Bürgerkrieges ist mehr denn einmal gegen das Gebäude geschleudert worden; die Baumeister wurden mit Mord bedroht. Erzberger, Rathenau und andere fielen von Mörderhand.

Unter dem Vorgeben, nationale Ziele zu verfolgen, vaterländische Gesinnung zu pflegen, haben sich Organisationen gebildet, die das deutsche Volk in zwei Lager spalten, die auf die Entfesselung des Bürgerkriegs hinarbeiten. In ihren Reihen stehen Männer, die hohe und höchste Aemter in der Republik annahmen, ihr den Treuschwur leisteten und jetzt zugeben, daß ihr ganzes Sinnen und Trachten Heimtücke und Verrat gewesen ist, Verrat an der Republik, Verrat an deutschen Volke, dessen staatliche Einheit zu zerreißen ihr Wille ist.

Tausende junger Männer sind zu bewaffneten Sturmhaufen formiert, unter Führern, die sich rühmen, die Verfassung von Weimar, welche sie mit Feuer und Schwert bekämpfen, nie gelesen zu haben. Ein Ringen um geistige Probleme ist ihnen fremd, des Gebrauchs geistiger Waffen sind sie ungewohnt; sie sind Opfer wüster Demagogen, die schamlosen Mißbrauch mit den Begriffen Vaterland und Nation treiben, ihre eigene Schuld und heimlichen Ziele hinter schmachvoller Judenhetze verstecken. Wir Republikaner werden nie vergessen, daß Schulter an Schulter mit Katholiken, Protestanten und Freidenkern jüdische Soldaten gekämpft und geblutet haben. Die Zahl der toten und schwerverwundeten Juden beweist dies. Dieser blöde Antisemitismus, der sogar die Seele der Kinder vergiftet, macht Deutschland nicht nur in der Welt lächerlich, sondern ist innenpolitisch wie außenpolitisch eine Gefahr.

Kriegsteilnehmer, Republikaner! Noch ist der Kampf um das Dasein des deutschen Volkes als staatlich geschlossene Nation nicht beendet. Fremde Heere stehen am Rhein und an der Ruhr, riesengroß ist die Gefahr des Verlustes auch dieser Gebiete. Aus Kleinmütigkeit, deutschem Stammesdünkel, dynastischen Interessen und der erheblichen Belastung der Kleinstaaterei ist der Gedanke geboren, durch Preisgabe der staatlichen Einheit wirtschaftliche Vorteile für einzelne Gebiete oder Duldung der Rückkehr einzelner Monarchen von den Siegern im Weltkrieg zu erlauben.

Groß ist die Gefahr, daß die von deutschen Nationalisten entfesselten Kämpfe um die Staatsform den Nationalisten jenseits der deutschen Grenze willkommenen Anlaß bieten, in Deutschland einzumarschieren und das Deutsche Reich aus der Liste der Staaten zu streichen. Das darf nicht geschehen!

Deutschland darf nicht untergehen! Es kann sich aber nur erhalten und wieder erstarken als Republik. In dem Willen, der deutschen Republik zu dienen, ihr in allen Fällen der Not beizustehen, haben sich örtlich oder Bezirksmeister in mehr oder minder straffer Form republikanische Kriegsteilnehmer schon vor mehr als Jahresfrist zusammengeschlossen. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß die lose Verbindung, die untereinander bestand, ungenügend war. Deshalb haben sich die Verbände der republikanischen Kriegsteilnehmer am 22. Februar 1924 in Magdeburg zur Reichsorganisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer, zusammengeschlossen.

Der Bund wir seine eignen politischen und wirtschaftlichen Ziele verfolgen. Die Lösung dieser Aufgaben sei den dazu berufenen republikanischen Parteien und wirtschaftlichen Verbänden überlassen. In seine Reihen nimmt der Bund jeden Kriegsteilnehmer auf, der mit Herz und Hand für die deutsche Republik einzutreten gewillt ist.

Kommunisten und Monarchisten haben im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold keine Stätte. Dem nationalistischen und bolschewistischen Demagogentum wird der Bund mit den Mitteln der Aufklärung und Werbung für den republikanischen Gedanken entgegentreten. Bei allen gewaltsamen Angriffen auf die republikanische Verfassung wird der Bund die republikanischen Behörden in der Abwehr unterstützen und die Gegner der Republik niederkämpfen mit denselben Mitteln, mit denen sie die Republik angreifen. In der Erkenntnis, daß die Republik nur durch Republikaner zu Macht und Ansehen gebracht werden kann, verlangt der Bund die Besetzung aller wichtigen Ämter insbesondere in Verwaltung, Schule, Justiz, Wehrmacht und Polizei mit Republikanern.

Kriegsteilnehmer, Kameraden, die Ihr als Republikaner ins Feld gezogen oder als solche zurückgekehrt seid, waffentüchtige Männer und schließlich alle, die Ihr bereit seid, die Ziele unseres Bundes zu unterstützen: Hinein in unseren Bund! Das Banner der deutschen Republik mit den alten deutschen Farben Schwarz-Rot-Gold ist unser Zeichen.

Die Republik den Republikanern! – Hoch die Republik! Hoch das deutsche Volk!

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold

Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer .V., Sitz Magdeburg.

Der Bundesvorstand

D. Hörsing, Oberpräsident, Bevollmächtigter zum Reichsrat, Vorsitzender.

K. Höltermann, Redakteuer, stellvertr. Vorsitzender.

Dr. jur. Baerensprung, Rechtsanwalt, Oberleutnant a.D., Schriftführer

W. Röder, Gauleiter im Reichsbund der Kriegsbeschädigten, stellv. Schriftführer.

D. Grohn, Kaufmann, Schatzmeister.

E. Böhme, Magistratsrat, stellv. Schatzmeister.

Beisitzer:

Pohlmann, Regierungspräsident;

???aer, Stadtv-Vorsteher;

W. Hardt, Polizeioberst, Major a.D.;

K. Otte,Schmied;

R. Rö?scher, Schulleiter, Leutnant a.D.;

E. Brandenburg, Gauleiter im Landarbeiterverband, Mitglied des Preuß.Landtags;

A. Winzer, Genossenschaftssekretär;

B. Ferl, Parteisekretär.

Zuschriften an: Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Geschäftsf. Dr. Baerensprung, Magdeburg, Leipziger Str. 60I. TEL. 5887

Quelle: https://reichsbanner-geschichte.de/reichsbanner-geschichte/einzelansicht/dokument/Dokumente/show/25881-gruendungsaufruf/

Siehe auch:

https://reichsbanner-geschichte.de/reichsbanner-geschichte

Herral, 07.10.2021

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