Quellendokumente zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Goslar

Hameln, Stand 19.05.2024: Über die lokale Reichsbanneruntergliederung in Goslar in der Zeit von 1924 bis 1933 ist im Internet nicht viel zu finden. Aus Anlass der Ausstellung „Für Freiheit und Republik“, die vom 01.-25. Oktober 2024 im Kreishaus Goslar gezeigt wird, wurden folgende Quellentexte und Infos recherchiert. Die Sammlung wird bei Bekanntwerden weiterer Infos ergänzt. Hinweise auf Dokumente sind stets willkommen.

In der Sammlung der Internetseite zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ist als Dokument das Festbuch zur Verfasssungsfeier und Fahnenweihe der Ortsgruppe Goslar am 9.und 10. August 1924 zu finden. Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Schaudepot Reichsbanner, RB 1740

https://www.reichsbanner-geschichte.de/dokumente/einzelansicht-seite/66787-festschrift-verfassungsfeier-und-fahnenweihe


Das Goslarer Festbuch ist über die Internetseite der Friedrich-Ebert-Stiftung als s/w PDF-Download erhältlich:


Anzeigen aus dem Festbuch:

In einer Denkschrift des Reichsbanners zum fünften Jahrestag der Deutschen Reichsverfassung – Aufmarsch des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold 1924 findet sich folgender Verlaufsbericht zu der Veranstaltung in Goslar:

Abschrift: Goslar. Die große Kundgebung auf der Kaiserpfalz. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold hatte am 9. und 10.August zur Verfassungsfeier aufgerufen. Sonnabend abend leitete ein Kommers die Feierlichkeiten ein. Der Kaisersaal war bis auf dem letzten Platz dich gefüllt. Die Reichsbannerkapelle füllte den musikalischen Teil des Abends aus. Gesangs-Vorträge mehrerer Gesangvereine, turnerische Veranstaltungen und andere würdige Festveranstaltungen sorgten dafür, daß ein in jeder Beziehung ansprechendes Programm die Teilnehmer befriedigte. Die Darbietungen ohne Ausnahme waren wirklich ausgezeichnet. Im Mittelpunkte des Abends stand eine Ansprache des Reichstagsabgeordneten Hartleib (Hannover).

War schon der Sonnabend erfolgsversprechend, so zeigte der Sonntag den Glanztag der Republik. In den Vormittagsstunden marschierte Verein auf Verein auf. Die Reichsbannerkapelle wartete um 11 Uhr auf dem Marktplatz mit einem Konzert auf. Um 2 Uhr setzte sich der Festzug in Bewegung. Die Teilnehmerzahl bezifferte sich auf zirka 2500 bis 3000 Festzugteilnehmer. Mustergültige Ordnung zeichnete den Festzug aus. Den Höhepunkt des Tages bildete die Kundgebung vor dem Kaiserhause. Schon als der Festzug dort eintraf, war der Platz dich von Menschen gefüllt. Wohl an die 5000 Menschen bevölkerten die Kaiserpfalz. Die Fest und Weiherede hielt Kamerad Bürgermeister Reichardt (Wernigerode).

Quelle: https://www.reichsbanner-geschichte.de/digitale-sammlung-schaudepot


Aus einem Bericht der Zeitung „Das Reichsbanner“, Gaubeilage zu Nr. 6 – Hannover – vom 15. März 1926 ergeben sich folgende Kerninformationen:

  • Ehrenvorsitzender des Reichsbanners war Prof. P. Hellweg (Internetsuche negativ)
  • Vorsitzende des Reichsbanners Goslar war der W. Schacht
  • 2. Vorsitzender und Kameradschaftsfürer war R. Bosse

Textabschrift:

Goslar. Einen würdigen und imposanten Verlauf nahm die im Saale des Forsthauses abgehaltene und von zirka 300 Kameraden besuchte Jahreshauptversammlung. Eingeleitet wurde diese durch einen Marsch des Trommler- und Pfeiferkorps und einen ebensolchen der Reichsbanner-Kapelle. Vor Eintritt in die Tagesordnung verlas der Vorsitzende ein Schreiben des Ehrenvorsitzenden, Professors P. Hellwig, der aus Gesundheitsrücksichten leider verhindert ist, an der Versammlung teilzunehmen und den Verhandlungen guten Erfolg wünscht. Im Namen der Kameraden spricht der Vorsitzende den Wunsch aus, daß Kamerad Hellwig der Ortsgruppe als Ehrenvorsitzender noch lange Jahre erhalten bleiben möge, denn leider gebe es gerade unter den Goslarer Demokraten sehr wenig Republikaner, die sich so begeistert und im breitester Oeffentlichkeit ehrlich zur Republik bekennen. Mögen die jungen Demokraten sich nicht weiter von den alten Veteranen beschämen lassen. Es folgte nun der Geschäftsbericht. Der Vorsitzende, Kamerad Schacht, hebt noch einmal die hervorstechendsten Ereignisse hervor. Den größten Verlust habe die Republik durch den Tod des ersten Reichspräsidenten erlitten, dessen Andenken durch Erheben von den Sitzen geehrt wird. An dem Bundestreffen in Magdeburg haben 70 Kameraden und an dem Gautreffen in Hannover 80 Kameraden teilgenommen. Außerdem hätten eine große Zahl Fahnenweihen und Republikanische Tage die Kameraden stark in Anspruch genommen. Durch den Beschluß des Gautags sei ja der allzu großen Ausdehnung ein Riegel vorgeschoben, so daß in diesem Jahre die Ortsgruppen für ihren weiteren Ausbau mehr Zeit zur Verfügung haben dürften. Im großen und ganzen könne man sagen, daß das Jahr 1925 das Jahr der Konsolidierung der Bewegung gewesen sei. Wenn das Tempo der Aufwärtsentwicklung auch nicht mehr so stürmisch war, so beweise doch aber der Stand des Bundes mit über 3 Millionen Mitgliedern die Größe unsrer Macht. Möge das Jahr 1926 auf diesem Gebiet uns wieder ein erhebliches Stück weiterbringen. Daß dieser Wille Gemeingut der Kameraden ist, bewies der Beifall, der den Ausführungen folgte. Der Kameradschaftsführer, Kamerad Bosse, gab einen Ueberblick der erfolgten dienstlichen Obliegenheiten. Die Beteiligung an den Ausmärschen habe in letzter Zeit etwas nachgelassen. Das dürfe nicht einreißen. Wenn ein Arbeiter auch schließlich in seinen Freistunden immer noch etwas zu tun finde, so müsse die wenige Zeit den Pflichtveranstaltungen schon geopfert werden. Lieber weniger Veranstaltungen, aber diese wenigen Veranstaltungen auch wuchtig. Das Verhalten und der kameradschaftliche Umgang der Kameraden sei durchaus gut gewesen. Niemals habe es Ausschreitungen oder dergleichen auch Andersdenkenden gegenüber gegeben. Der Kassenbericht wies eine gute Besserung der Finanzen auf. Auf Antrag der Revisoren wird dem Kassierer Entlastung erteilt. Der Punkt „Vorstandswahl“ fand eine überraschend schnelle Erledigung. Kamerad Sander stellte unter dem Beifall der Versammlung den Antrag, den gesamten Vorstand wiederzuwählen als Ausdruck des Dankes für die gute Geschäftsführung. Einstimmig wurde dieser Antrag angenommen. Der Vorstand besteht also wieder aus folgenden Kameraden: 1. Vorsitzender W. Schacht, 2. Vorsitzender und Kameradschaftsführer R. Bosse, 1. Kassierer O. Hartmann, 2. Kassierer K. Brennecke, 1. Schriftsührer O. Liebetrau, 2. Schriftführer Heinz Becker. Beisitzer: H. Mannheim, K. Bergmann, A. Schnaat. Zu Zugführern sind ernannt: I.Zug A. Uhlemann, 2. Zug E-Schmidt, 3. Zug Fr. Wiederhold.

Im März soll als Auftakt einer großen Werbeaktion für das Reichsbanner ein Werbeabend arrangiert werden. Die Musikkapelle füllte den weitern Teil der Versammlung gut aus und konnte um 1/2 8 Uhr der Vorsitzende die von vorzüglicher Stimmung beseelte Versammlung mit einem dreifachen „Frei Heil!“ auf Reichsbanner und Republik schließen.


Weitere Zeitungsberichte aus der Zeitung „Das Reichsbanner“ mit Bezug zu Goslar:

Quelle: https://www.reichsbanner-geschichte.de/zeitungen


Infosammlung zu Wilhelm Schacht (Vorsitzender des Goslarer Reichsbanners 1926):

  • Wilhelm Schacht war gelernter Maurer und SPD Funktionär. Er wohnte im Haus Bergstraße 6. Dort war auch die Harzer Volkszeitung (HVZ), eine Zeitung der SPD untergebracht. Schacht war Herausgeber der Zeitung.
  • Am 30. April 1933 wird die Goslarsche SPD Führung mit Schacht, Brennecke und Wiederhold verhaftet.
  • Quelle: https://www.1933-zerschlagung-gewerkschaften-goslar.de/

Wilhelm Schacht gründete 1937 in der Jakobistraße 17 einen Handel für Berufskleidung und Werzeuge. 1938 zog er zusammen mit Ehefrau Alwine und Sohn Robert in die Frankeberger Straße 23.

1956 wurde er zum Bürgermeister der Stadt Goslar gewählt.

Quelle: https://www.goslarer-geschichten.de/showthread.php?2373-W-Schacht-amp-Co-Berufs-u-Stra%DFenkleidung


Nach Wilhelm Schacht wurde in Goslar eines Straße benannt: Wilhelm-Schacht-Weg.


Infosammlung zu Rudolf Bosse (2. Vorsitzender und Kameradschaftsführer des Goslarer Reichsbanners 1926):

  • geb. 31.01.1890, verstorben am 27.05.1966
  • kam aus einer Goslarer Bergmannsfamilie und arbeitete als Fördermaschinist im Rammelsberg. Engagierte sich als Funktionär des Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands und als Führer des örtlichen Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold
  • Rudolf Bosse wurde von den Nationalsozialisten als „einer ihrer gefährlichsten Gegner unserer Bewegung“ eingeschätzt.
  • 1933 mit dem Machtantritt der NSDAÜ wurde er aller seiner Ämter enthoben, entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt.
  • Am 23.08.1944 wird er verhaftet und der Gestapo nach Braunschweig überstellt.
  • Verschleppt in das KZ Sachsenhausen und dort 1945 befreit.
  • 1946 wurde er Oberbürgermeister von Goslar.
  • 1947 wurde er in den Niedersächsischen Landtag gewählt
  • Quelle: https://www.1933-zerschlagung-gewerkschaften-goslar.de/

Nach Rudolf Bosse wurde in Goslar eines Straße benannt: Rudolf-Bosse-Weg.

https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Bosse


Ein bemerkenswerter Vorgang durch die Nationalsozialistische SA in Goslar wird in dem Buch von Daniel Siemens „Sturmabteilung – Die Geschichte der SA“ geschildert. Auszug:

„SA-Verbände wendeten wiederholt Gewalt gegen Polizeibeamte an, vornehmlich gegen solche, von denen man wusste, dass sie der Republik loyal gedient hatten.(87) In Goslar schickte der lokale SA-Sturm im Juni 1933 einen Drohbrief an einen Polizisten, in dem diesem zu verstehen gegeben wurde, man könne nicht mehr für sein «Leben und Wohlergehen» garantieren, wenn er weiterhin zum Dienst erscheine. Einige Wochen später stürmten SA-Männer ein Amtsgebäude der Stadt, in dem gerade der frühere Chef der uniformierten Polizei, der Sozialdemokrat Friedrich Ostheeren, verhört wurde. Ostheeren, der bereits am 8. April 1933 vom aktiven Dienst suspendiert worden war, wurde von den aufgebrachten Nazis die Treppe hinuntergestoßen und sein Gesicht und Körper mit Fausthieben und Tritten misshandelt. Er starb einige Monate später. Am 31. August 1934 stellte die Staatsanwaltschaft das gegen die betreffenden SA-Männer eröffnete Strafverfahren mit der Begründung ein, sie hätten die Tat im «Übereifer des Kampfes für die nationalsozialistische Idee» begangen, weshalb die Tat unter die Amnestie vom 7. August 1934 («Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit») falle.(88) Die Bevölkerung Goslars bezeichnete den harten Kern der lokalen SA hinter vorgehaltener Hand als «Piratenbande», was sowohl Faszination als auch moralische Entrüstung über deren gewalttätiges, die Gesetze ignorierendes Auftreten erkennen ließ. (89)


In der digitalen Ausstellung des DGB Goslar zur Zerschlagung der Gewerkschaften findet sich zu dem Vorfall mit Polizeikommissar Friedrich Ostheeren folgende Dokument:

Quelle: https://www.1933-zerschlagung-gewerkschaften-goslar.de/

Abschrift: Goslar, den 1. November 1933. Erklärung! Der als Zeuge angegebene frühere Leier der Kriminalpolizei Goslar, Kriminalsekretär i.R. Franz Kuhlmann äussert sich zum Fall Osterheeren wie folgt: Vor der Machtübernahme durch die NSDAP im Jahre 1933 hatte sich der damalige Polizeiobersinpektor Osterheeren die Feindschaft der Organe dieser Partei in erheblichen Masse zugetzogen. Nach der Machtübernahme, bei der Beseitigugn unerwünschter Beamter aus ihren Dienststellen, war Osterheeren der erste, der den Angriffen dieser Leute zum Opfer fiel. Er wurde eines Tages zum Rathaus bestellt, politisch verhört und im Anschluss daran von einer Gruppe SA Leuten in Uniform überfallen und körperlich erheblich misshandelt. Mir ist bekannt, dass Osterheeren bis dahin einkörperlich rüstiger und offenbar auch gesunder Mann gewesen war. Nach diesem Überfall war Osterheeren zunächst bettlägerig-krank und ist später nach Halberstadt verzogen. In Goslar wird allgemein die Ansicht vertreten, dass Osterheeren an den Folgen der erlittenen Verletzungen verstorben ist. Als Vertreter des öffentlichen Interesses habe ich keine Bedenken daran, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung des Osgterheeren als OdF vorliegt. Demnach dürfte auch die Witwe des Osterheeren als OdF anzuerkennen sein. (Unterschrift) Franz Kuhlmann, Beauftragter des öffentlichen Interesses. Beglaubigt Goslar 4.11.1949.


Weitere Quellen:

Foto: Aufmarsch am fünften Jahrestag der Deutschen Reichsverfassung 1924
Reichsbanner-Kundgebung vor dem Kaiserhaus in Goslar
Begeistertes Treuegelöbnis zur Republik

https://www.bild.bundesarchiv.de/dba/de/search/?channelid=dcx-channel-channel_barch_bilder&query=goslar&day=&month=&yearfrom=&yearto=&imageid=&title=&farbe=&kostenfrei=&ausrichtung=&view=gallery&submit=


Goslar und die Harzburger Front – die Radikalisierung des Bürgertums. Peter Schyga, Hannover

Hier gibt es eine Erwähnung des Übergriff auf den republikanischen Polizeioffiziert Ostheeren. Im Frühjahr 1933 sei der sozialdemokratische Stadtsyndikus Wandschneider und der Redakteur der Harzer Volkszeitung Pasch aus der Stadt gejagt worden. Der Sozialdemokrat Söffge und der jüdische Kaufmann Hochberg seien im Mai 1933 auf einem Fleischerkarren durch die Stadt gezerrt worden. Das Gewerkschaftshaus wurde gewaltsam erobert und Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialdemokraten in Schutzhaft genommen.

Siehe: https://www.spurensuche-harzregion.de/?publikationen/131



Stand: 20.05.2024, herral

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.