Gedanken zur Weihnachtszeit 2020

Vor 90 Jahren entstand das nachfolgende Gedicht von Erich Kästner. Es waren nach der Weltwirtschaftskrise 1929 schwere Zeiten in Deutschland. Extreme Polarisierung, viel politische Gewalt, destruktiver Populismus. Wir wissen, wo es endete.

Das Resümee für das Jahr 2020 und der Ausblick in die Zukunft muss uns noch wachsamer, noch aktiver werden lassen. Noch steht Deutschland, auch aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit, im Vergleich zu andere Ländern gut gefestigt da. An vielen Stellen aber wird schon jetzt an den Grundwerten unserer Gesellschaft gesägt.

Prügel / Körperstrafen zum sind zum Glück geächtet. Hoffen wir das das so bleibt. Den destruktiven Kräften unserer Gesellschaft aber nicht entgegenzutreten, wäre genauso falsch.

Wichtig also, dass wir auf allen Ebenen aktiv werden. Daher zum „Wachrütteln“ für heute die Zeilen vergangener Zeiten:

Brief an den Weihnachtsmann

Lieber, guter Weihnachtsmann,

weißt du nicht, wie’s um uns steht? Schau dir mal den Globus an. Da hat einer dran gedreht.

Alle stehn herum und klagen. Alle blicken traurig drein. Wer es war, ist schwer zu sagen. Keiner will’s gewesen sein.

In den Straßen knallen Schüsse. Irgendwer hat uns verhext. Laß den Christbaum und die Nüsse diesmal wo der Pfeffer wächst.

Auch um Lichter wär es schade. Hat man es Dir nicht erzählt? Und bring keine Schokolade, weil uns ganz was andres fehlt.

Uns ist gar nicht wohl zumute. Kommen sollst du, aber bloß mit dem Stock und mit der Rute. (Und nimm beide ziemlich groß.)

Breite deine goldenen Flügel aus, und komm zu uns herab. Dann verteile deine Prügel. Aber bitte nicht zu knapp.

Lege die Industriellen kurz entschlossen übers Knie. Und wenn sie sich harmlos stellen, glaube mir, so lügen sie.

Ziehe denen, die regieren, bitteschön, die Hosen stramm. Wenn sie heulen und sich zieren, zeige ihnen ihr Programm.

Und nach München lenk die Schritte, wo der Hitler wohnen soll. Hau dem Guten, bitte, bitte, den Germanenhintern voll!

Komm, und zeige dich erbötig, und verhau sie, dass es raucht! Denn sie haben’s bitter nötig. Und sie hätten’s längst gebraucht.

Komm, erlös uns von der Plage, weil ein Mensch das gar nicht kann. Ach, das wären Feiertage, lieber, guter Weihnachtsmann!

Erich Kästner, Weltbühne 1930

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