Abschrift eines Zeitungsartikel der (sozialdemokratischen) niedersächsischen Volksstimme vom 23.11.1920:
Stadt und Kreis Rinteln. Rinteln, den 22. November 1920.
„Die Kreisleitstelle ließ in letzterer zeit eine allgemeine Revision der Zentrifugen und Butterfässer bei den Milchproduzenten vornehmen.
Der Erfolg war, daß recht viele Zentrifugen ihrer Blombe entledigt waren und das Schaumburger Bäuerlein sich zum Teufel um das Butterverbot und Ablieferungspflicht xxxx. Fast überall wurde Butter und Sahne aus versteckten Winkeln durch den Revisor an das Tageslicht befördert. Im allgemeinen verlief die Revision ohne wesentliche Wiederstände, aber in Todenmann bei dem Landwirt Fleker (?) wurde die Sache brenzlich, als der Revisor einen Topf mit 8 Pfund Sahne beschlagnahmen wollte.
Schon während der ganzen Zeit der Zwangswirtschaft bildete der Flekersche Hof für die Kreisstelle einen Gegenstand der Aufmerksamkeit. Das durchschnittliche Quantum war selten pro Tag und Kuh 2 Liter Milch. Trotz Probennehmung und andere Maßnahmen wollten die Kühe nicht mehr Milch geben. Der Herr Fleker mit seiner Frau Mutter waren darum auch sehr erbost, als der Landjäger mit dem Revisor die Sahne mitnehmen wollten, denn die Butter wird im Schleichhandel immer noch besser bezahlt. obwohl im Kreise Rinteln bislang auch die rationierte Butter das Pfund 17 Mark kostete, also um 5 bis 7 Mark teurer als in den angrenzenden Kreisen. Dieser hohe Preis konnte die felkerschen Kühen nicht reizen, diese gaben nur Milch für Schleichhandelpreise. Der Landjäger und der Revisor hätten dann auch beinahe, als sie sich für Bestechungen nicht empfänglich zeigten, ihr Vorgehen mit dem Leben bezahlen müssten. Fleker schimpfte und tobte, er schimpfte die Beamten Lumpengesindel, ihnen den Topf mit Sahne fortriss, die Hälfte des kostbaren Inhaltes ausschüttete und den Topf mit der anderen Hälfte aus dem Fenster hinaus auf die Straße warf. Darauf fasste der Bruder den Landjäger ins Genick und warf ihn die Treppe hinunter. worauf sich der Hofbesitzer Fleker mit einem Infanteriegewehr (Model 98) bewaffnete, welche scharf geladen war . und auf den Beamten anlegte. Nur der Besonnenheit des Landjägers ist es zu danken, daß es nicht zur Schießerei kam. sonst hätte es unbedingt Tote oder mindestens Verwundete gegeben. Bei einem Beamten von preußischem Muster wäre es fraglich. ob das wildgewordene Bäuerlei mit samt seinem Bruder mit dem Leben davon gekommen wäre. Nun sind wir gespannt, was die Staatanwaltschaft mit diesem rabiaten Bauern anfange wird. welcher sich in solch einer ehr- und pflichtverletzenden Weise gegen Recht und Gesetz aufgelehnt hat. Die Arbeiterschaft hat die Waffen abgeliefert. Her Fleker, der Wehrführer gewesen sein soll. benutzt die Waffen um sich unbequeme Beamten damit vom Halse zu schaffen. Was gedenkt der Kreisausschuß mit solch einem pflichtvergessenen Milchproduzente zu tun. Müßten nicht einem solchen Besitzer sofort sämtliche Milchkühe enteignet werden? In den Städten gehen hunderte von Kranken und Säuglinge zu Grunde. weil ihnen die Milch durch derartige gewissenlose Menschen entzogen wurde und hier werden 8 Liter Sahne aus Niedertracht auf die Straße geworfen und weil beauftragte Beamte. welche zum Schutz unserer Säuglinge und Kranken den Verordnungen Nachdruck verschaffen sollen,. sich nicht bestechen lassen wollten, versucht man sie mit Schimpft und Schande vom Hof zu jagen. oder aber sogar totzuschießen. Der Rechtsbolschwismus hat auf diese Weise dem deutschen Volke Wunden beigebracht. die nicht so leicht vernarben und diese Rechtsbolschewisten sind mit Recht als die Totengräber des deutschen Volkes zu bezeichnen. Es muß einen mit Widerwillen und Ekel erfüllen. wenn diese aufgeblasene Gesellschaft sich so gerne als die Retter des Vaterlandes aufspielen wollen. Was werden die Herren Fleker mit ihrer ehrwürdigen Mutter hierfür erhalten?
Abschrift: Ralf Hermes, 23.11.2020