Am 1. Weihnachtsfeiertag 1925 fand in Berlin die letzte Fahrt der Postillone statt. Das Titelbild der IRZ Nr. 2 zeigt den Wechsel von der Kutsche zum Postauto. Dazu gibt es auf Seite 19 dann ein Foto vom Abzug der letzten Postkutschen mit dem neuen Fahrzeugpark im Hintergrund.
Besonders lesenswert ist aber eine Artikel über das Verhältnis der Beamten zur Republik.
Ein sehr lesenswerter Artikel eines hamburgischen Obersekretärs beschäftigt sich dann mit dem Verhältnis von Beamten zur neuen Republik. Hier einige Auszüge:
„Es genügt keinesfalls, an die Spitze einer Verwaltungsbehörde einen Republikaner lediglich als politischen Beamten zu stellen. Die bisher dauernd im Amte verbliebenen sogenannten Geheimräte haben in allen Behörden ein so großes Maß von Macht uns Einfluß, daß die Spitze der Behörde, von Reaktonären eingekreist, sich schwer, wenn überhaupt durchsetzen kann. Sie lernt die feinen bureaukratischen Methoden und Fäden gar nicht kennen und ist völlig abgeschlossen von der Masse der Beamten. Es ist daher für die republikanischen Parteien ein dringendes Bedürfnis, zur Festigung der Republik endlich an die Demokratisierung des Beamtenkörpers heranzugehen.“
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„Leider findet man in den verschiedenen Beamtengruppen vielfach engherzige einseitige Naturen, die ohne innerliche Festigkeit ängstlich darauf bedacht sind, es ja nicht mit ihrem Vorgesetzten zu verderben und deshalb sich immer deren Meinung anschließen. Sie sind eben Maschinen und Knecht, vom ehemaligen Obrigkeitsstaat in langen Jahren (teilweise auch beim Militär) stumpf und willensschwach gemacht, daher sind sie innerhalb der Behörde „mimosenhaft zurückhaltend“ unpolitisch und wollen ängstlich „parteilos“ bleiben. Andere dagegen schließen sich, um sich bei den Vorgesetzten in ein gutes Licht zu setzen, teils auch aus übertriebener Eitelkeit, gedankenlos den Reaktionären an. Nur verhältnismäßig wenige Beamte haben den Mut, sich offen zur Republik oder gar zur S.P.D. zu bekennen. Wenn das Beamtentum leider in seiner großen Mehrheit der republikanischen Staatsform feindlich gegenübersteht und ein großer Teil aus den republikanischen Parteien wieder abgewandert ist, so ist als Grund hierfür mit anzugeben (außer Abbau usw.) die fehlende Erkenntnis, daß die Demokratisierung des Beamtentums und der inneren Verwaltung zu den wichtigsten Aufgaben des parlamentarischen Systems gehört. Die Republik muß aber in ihrer Verwaltung bis in die kleinste Zelle bewährte Stützen haben.“
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„Um die Beamten der Republik gegenüber gesinnungsfreudiger zu erziehen, ist es unbedingt erforderlich, die Beamtenrechte zu erweitern und dem einzelnen Beamten möglichst große Bewegungsfreiheit zu geben, die ihn mehr unabhängig von einzelnen wohl in jeder Behörde vorhandenen Autokraten macht.“
„Die höheren und mittleren leitenden Beamten sehen in den übrigen Beamten nicht den Menschen und den Mitarbeiter im Dienste des Volksstaates, sondern nur den Untergebenen, der zu gehorchen hat und eine eigene Meinung beileibe nicht vertreten darf. Da die Mehrzahl der Beamten aus dem alten Obrigkeitsstaat stammt (teilweise Militäranwärter), sind sie mit den Jahren zu Maschinen geworden. Sei sind größtenteils verkalkt, unselbständig, abgestumpft und auch zu zersplittert, um aus sich herum seine gewisse Freiheit zu erkämpfen. Anderseits sorgen schon die leitenden Beamten dafür, daß der Kadavergehorsam nicht ausstirbt. Demnach muß die Hilfe von der Spitze ausgehen.“
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„Trotz Beamtenräten und Ausschüsse sind die meisten Beamten rechtlos; es gilt hier, oben abzunehmen und unten Rechte zu geben, um das autokratische System innerhalb der Behörden zu befriedigen. Wir wollen freie Beamte sein und keine willenlosen Werkzeuge.“
Andere Themen / Bilder:
Friedercianisches Albdrücken oder das Abenteuer in der Neujahrsnacht. (Zeichnungen von Lehnert)
Ausschnitte aus der IRZ Nr. 2 vom 9. Januar 1926.
16.10.2020