Soldat – Republikpolizist – Nationalsozialist – Unterstützer der Judendeportation – Kriegsverräter – Lebensretter
Dem sehr lesenswerten Ausstellungskatalog der Gedenkstätte Deutscher Widerstand „Tod den Nazi-Verbrechern!“ ist das folgenden Schicksale eines Republik- und späteren NS-Polizisten entnommen:
Am 28. März wird für Düsseldorf ein Räumungsbefehl für die Stadt und die Zerstörung aller Versorgungseinrichtungen beim Einrücken der allierten Truppen erlassen. Ab den 10. April ist die Stadt vollständig von US-Truppen eingeschlossen. Der Kommandeur der Schutzpolizei in Düsseldorf, Franz Jürgens lehnt diese Pläne ab. Am Mittag des 16. April setzt er gemeinsam mit mehreren Angehörigen einer Widerstandsgruppe den Düsseldorfer Polizeipräsidenten fest. Jügens stellt einen Passierschein für einen Parlamentär zur Verhandlung mit den US-Truppen aus und weist die Kommandeure der Polizeiabschnitte an, beim Einmarsch der Truppen die Waffen ruhen zu lassen.
Die Aktion wird von regimtreuen Polizeioffizieren verraten. Jürgens und vier weitere Beteiligte in zwei Standgerichtsverfahren zum Tode verurteilt und in der Nacht zum 17. April 1945 erschossen. US-Truppen nehmen Düsseldorf am 17. April ohne nennenswerte Kampfhandlungen ein.
Zur Person:
Franz Jürgens (1885-1945)
Geborgen am 14.11.1895 in Einbeck. Sohn eines Stadtbaumeisters. Meldet sich 1914 als Kriegsfreiwilliger zur Infanterie und nimmt am 1. Weltkrieg an der Westfront teil. Beförderung zum Unteroffizier Eiserne Kreuz Erster und Zweiter Klasse. 1921 er Jahre tritt er in Hamburg in den Polizeidienst ein. Zunächst Polizeileutnant, ab 1923 Oberleutnant.
1933 Eintritt in die NSDAP.
1942 stellte Jürgens in Darmstadt Schutzpolizei zur Unterstützung der Gestapo bei der Deportation der hessischen Juden ab. Im Kommandobefehl Nummer 62 vom 4. November 1942 der Darmstädter Schutzpolizei hieß es unter Punkt 4: „Der Leiter der Geheimen Staatspolizeistelle Darmstadt übermittelte mir für die erwiesene Unterstützung bei der Durchführung der Judenevakuierung seinen Dank. Für den vollen Einsatz spreche ich allen beteiligten Offizieren, Unterführern und Männern meine Anerkennung aus“. Unterzeichnet war dieser Befehl vom Kommandeur Franz Jürgens.
1944 wird Jürgens von Darmstadt nach Düsseldorf abgeordnet und ist ab Januar 1945 Kommandeur der Schutzpolizei.
Die Frankfurter Rundschau schreibt am 19.04.2004: „Jürgens Motive bis heute unklar. … Bilder dieser fünf Männer zieren nun die Wand im Grundsteinraum des Düsseldorfer Polizeipräsidiums. Denn ihnen ist es zu verdanken, dass die US-Panzer einen Tag später, am 17. April, ohne Schusswechsel in die Stadt einrückten. So widersprüchlich wie sich die Gestaltung des Grundsteinraumes im Düsseldorfer Polizeipräsidium anlässt, so zerrissen ist auch die Biografie des besonders geehrten Oberstleutnants Franz Jürgens. Zwar schien Jürgens den Widerständlern seinerzeit vertrauenswürdig, hatte er sich doch zuvor mehrfach gegen den nationalsozialistischen Polizeipräsidenten aufgelehnt. Doch bis heute ist ungeklärt, ob Jürgens sich in letzter Minute nicht lediglich deshalb gegen die Machthaber in Berlin wandte, weil er die militärische Lage realistisch einschätzte. Und nicht, weil er grundsätzlich etwas gegen das NS-Regime hatte.“
https://www.fr.de/politik/himmelfahrtskommando-aktion-rheinland-rettete-duesseldorf-11731592.html
Gerichtsverfahren:
In den Jahren 1948 bis 1952 wird die Exekution von Jürgens in vier Gerichtsprozessen untersucht. Der Bundesgerichtshof kam zu der Auffassung, dass es sich bei dem Verhalten von Jürgens nach dem im Jahre 1945 geltenden Rech um „Kriegsverrat“ gehandelt habe. Die Standgerichtsverfahren und die Urteile seien rechtmäßig gewesen. Die drei Angeklagten freigesprochen.
Erst im Jahre 1999, also 44 Jahre später, wurden die Standgerichtsurteile gegen Oberstleutnant Franz Jürgens u.a. aufgehoben. Jürgens hat ein Ehrengrab auf dem Nordfriedhof in Düsseldorf.
Weitere Hintergrundinformationen:
Die Ereignisse des 16. und 17. April 1945 in Düsseldorf“Aktion Rheinland“. Ausführliche Darstellung der Ereignisse:
http://www.geschichtswerkstatt-duesseldorf.de/downloads/rheinland.pdf
http://www.geschichte-am-jürgensplatz.de/index.php/81-geschichte