14.10.2024: Quellen- und Infosammlung zum ermordeten Reichsbannermann Reinhold Pammler aus Hannover (andere Schreibweise Pamler)
In einer Aufstellung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold „Unsere Toten“ – (Im Kampf für die Republik fielen 64 Kameraden) findet sich folgende Nennung:
„Reinhold Pammler, Hannover, 26.06.1931“
In dem Buch „Deutsche mit Anstand“ von Jörn Schütrumpf findet sich auf Seite 174 folgende Passage: „Juni 1931: Der Reichsbannermann Reinhold Pammler in Hannover war bereits seit längerer Zeit von den Nationalsozialisten bedroht worden. Auf dem Nachhauseweg wurde er von etwa 30 Nationalsozialisten überfallen, mit einem Maurerhammer über den Kopf geschlagen, durch Fußtritte auf den Unterleib verletzt. Im Krankenhaus erlag er nach 3 Wochen
seinen Verwundungen.„
In der Zeitung Das Reichsbanner vom 25. Juli 1931 findet sich dann der folgende Beitrag:
Abschrift: Nationalsozialisten morden einen Kameraden.
Am 26. Juni war der Kamerad Reinhold Pamler in Hannover auf dem Nachhauseweg von etwa 80 Nationalsozialisten überfallen worden. Mit einem Maurerhammer wurde ihm der Kopf gespalten, durch Fußtritt« wurden ihm schwere Verletzungen des Unterleibs beigebracht. Im Krankenhaus ist Kamerad Pamler nunmehr seinen furchtbaren Verletzungen erlegen. Daß dieser Ueberfall von den Nationalsozialisten planmäßig durchgeführt wurde, geht schon daraus hervor, daß der Verstorbene seit längerer Zeit von den Nationalsozialisten bedroht wurde. Sein Bruder wird heute noch dauernd von Nationalsozialisten verfolgt. Ihm ist ein gleiches Schicksal angekündigt worden. Das gesamte hannoversche Reichsbanner wird dem ermordeten Kameraden das letzte Geleit geben.
Angesichts dieser neuen Bluttat fragen wir den Staat mit allem Ernst, wann endlich er Maßnahmen ergreifen will, um jedes Auftreten der Nationalsozialisten auf den Straßen restlos zu unterbinden; denn wie es in Hannover ist, so ist es in allen Städten und Orten des Reiches. Immer besteht die Gefahr, daß politische Gegner der Nationalsozialisten von dem Mordgesindel kaltherzig über den Haufen geschossen werden. In Groß-
Gerau hat ja erst am 16. Juli wieder der nationalsozialistische
Sturmtruppführer Ingenieur Stier vor dem Arbeitsamt zwei
Erwerbslose niedergeschossen. Der Staat greife endlich ein, wenn sich in Deutschland nicht der Zustand eines latenten Bürgerkriegs entwickeln soll! Denn schützt der Staat nicht unsre Kameraden, dann müssen sie sich selber schützen.
Folgende weitere historische Presseberichte zum Vorfall wurden gefunden:
Vorwärts vom 18.07.1931 – Morgenausgabe
Hannoverscher Kurier – Zeitung für Norddeutschland vom 18.07.1931 – Abend Ausgabe
Voksblatt – Solingen, Montag, 20.07.1931
In der Ausgabe der Zeitung „Das Reichsbanner“ Beilage für die Gaue Hannover und Freistaat Braunschweig vom 08.08.1931 findet sich folgender Bericht:
Ich hatt´ einen Kameraden… Reinhold Pammlers letzte Fahrt
Abschrift:
Ich hatt´ einen Kameraden… Reinhold Pammlers letzte Fahrt
Am 26. Juni wurde der Kamerad Pammler der Ortsgruppe Hannover von Nationalsozialisten nach einer ihrer berüchtigten Versammlungen niedergeschlagen. Er erlag seinen Verletzungen nach dreiwöchigem Schmerzenslager und wurde am Dienstag, dem 22. Juli, zu Grabe getragen. Das ganze republikanische Hannover nahm an dieser T r a u e r k u n d g e b u n g teil. Der nachstehende Bericht veranschaulicht trefflich die Anteilnahme und Verbundenheit der Republikaner:
Schwer hängen die schwarzrotgoldenen Fahnen, vom schwarzen Flor umhüllt, schwerer als sonst sind die Schritte der Reichsbannerkameraden. Ernst die Gesichter. Kreaturen, verroht, vertiert, feig und gemein haben wieder einen der Unsern erschlagen. Ihm, der für die Idee das Leben opferte, gilt es, die letzte Ehre zu erweisen.
Und die Kameraden kamen. Aus der Werkstatt, aus den Kontoren, von der Stempelstelle eilten sie herbei. Schon lange vor 1 Uhr glich die Vahrenwalder Straße einem Menschenmeer. Aus der nähern und weitern Umgebung waren Kameraden zur Beerdigung des Ermordeten herbeigeeilt. Die Braunschweiger sandten eine Deputation von 30 wohlausgerüsteten strammen Schufo-Männern, die mit ihrer Fahne und einem großen Kranz antraten. Über tausend Kameraden traten am Vahrenwalder Platz an. Mit ihnen zogen die Herzen der Arbeiter, die nicht teilnehmen konnten an dieser Ehrung, die zu einem gewaltigen Protest gegen Mord und Terror, gegen die von Hitler gewollte Balkanisierung des politischen Lebens wurde. Sie alle werden das Gedenken an unsern Reinhold Pammler im Herzen tragen. Es wird ihnen Ansporn sein, weiterzukämpfen, zu siegen, wie er es gewollt.
Ganz überwältigend ist die starke Anteilnahme der Bevölkerung. Am Vahrenwalder Platz stehen die Menschen dicht gedrängt. Sie umsäumen auch in fester Mauer den Weg bis zum Trauerhaus.
Die kurze Feier im Hause ist zu Ende. „Achtung! — Still-gestanden! — Augen rechts!“ Grüßende Fahnen senken sich. Von acht Kameraden getragen, wird der mit den Farben der Republik bedeckte Sarg zum Wagen gebracht. Die Musik intoniert einen Trauermarsch. Reichsbannerjugend flankiert mit brennenden Fackeln den Leichenwagen. Der Zug setzt sich in Bewegung.
Ueberall, wo der Zug hindurchgeht, sind die Bürgersteige schwarz voller trauender Menschen; aus den Fenstern schauen sie nach unten. Wir nehmen Abschied von einem der Treuesten, der sein Leben geben mußte für sein Ideal, für unser aller Sehnen. Feigheit und Hinterlist rissen ihn in das Grab.
Der dumpfe Klang der Trauermärsche wechselte ab mit Trommelwirbel.
Stand er am Weg, er, dessen Gewissen beschwert ist mit diesem Mord——- ? Sah er den Zug der Kameraden, die dem einen folgten——- ?
Hütet euch, Mürdergesindel! Sie alle, die ihr gestern dem Sarge folgen sahet, und die Tausende, die, an den Seiten stehend, mit brennenden Augen zusahen, sie alle stehen für den einen ein!
Umflorte Fahnen flattern im Winde — leise verzieht der Rauch brennender Fackeln. Der Zug biegt am Ende der Herrenhäuser Allee ein, geht am Palmenhaus vorbei durch Herrenhausen hindurch, überall stehen die Menschen an den Straßen. In Herrenhausen Fahnen zum Zeichen der Trauer auf Halbmast. Ein lieber Kamerad wird zu Grabe getragen, Hut ab vor ihm, vor seinem Sterben! In Stöcken das gleiche Bild — die Menge steht auch hier an den Bürgersteigen und wartet.
Dumpf grollen die Trommeln, als der Zug den Friedhof betritt. Der Zug wird von dichten Menschenmassen flankiert. Manch alten Kämpfer sehen wir, der uns erzählen kann von den Zeiten schwerster Verfolgung aller freiheitlich Gesinnten. Schweres haben auch sie ertragen. Aber der Meuchelmord kam erst mit dem Auftreten der braunen Pest, der Leute um Hitler, in die deutsche Politik.
Am Grabe nehmen die Kameraden Aufstellung. Stimmungsvoll intoniert die Reichsbannerkapelle „Ueber den Sternen“ von Fr. Abt. Da tragen Jungkameraden den Sarg, überdeckt mit dem großen schwarzrotgoldenen Tuch, heran. Der Wald von Fahnen senkt sich. „Ich hatt‘ einen Kameraden . . .“ Jetzt ist er erschlagen, ermordet, gemeuchelt! Langsam wird der Sarg der Erde übergeben.
Der Redner spricht: „Schwarz sei die Fahne, in Trauer gehüllt.“ Ergreifend sind die Worte, die von der Anhänglichkeit des Toten für die Seinen erzählen. Erschütternd immer wieder das Aufschluchzen der Mutter, der man den Sohn meuchelte. AIs es galt, sich in der Kriegszeit ohne Vater durchzuschlagen, war es Reinhold Pammler, der jederzeit der Mutter helfend zur Seite stand. Aber auch für die Arbeitsbrüder kämpfte er früh in der Arbeiterjugend und später im Reichsbanner. Das Ziel zur Erhaltung des höchsten Menschheitsideals hatte er schon vom Vater übernommen. Immer war er ein unerschrockener, mutiger Kamerad.
Wir alle waren ergriffen, so sprach der Redner für die weite Trauergemeinde, als wir die Massen sahen, die in den Straßen standen, als der endlose Trauerzug zum Friedhof zog.
Nicht nur Frauen und Mädchen waren die Augen feucht, Männer, erprobt im harten Kampfe des Lebens, bargen ihr Gesicht, um nicht die Tränen zu zeigen, die ihren Augen entrollten.
Es war kein Raubtier das Reinhold Pammler von uns riß, keine unvernünftige Kraft des Geschehens, kein Ungefähr des Zufalls; verhetzte Menschen waren es, die dem Tod ein neues Opfer darboten. Manchen übermannte der Zorn, als er erfuhr, daß hier wieder ein junges Leben durch Menschenbestien vernichtet wurde. Doch die Rache liegt nicht im Sinne des Ermordeten. Gewalt läßt sich niemals durch Gewalt überwinden. Sie würde überdies doch nicht die wirklichen Täter treffen.
Die wirklich Schuldigen sind die intellektuellen Kräfte der Nazis, die den Despotismus in die Massen hineingetragen haben. Das ist die üble Quelle, der schon viele unsrer Freunde zum Opfer gefallen sind. Man will die Massen wieder knechten.
Hiergegen Front zu machen, das war Herzens- und Lebensaufgabe des Toten. Alle, die desselben Geistes, derselben Idee wie der Tote sind, wissen, daß die Welt nur gestaltet wird durch unsre eigne Kraft. Die Idee, für die Pammler gelebt, gelitten und gestorben, müssen wir hochhalten und ausbreiten bei den Brüdern und Schwestern.
Unsre Trauer wollen wir nicht mit einem leeren Wort erfüllen; wir wollen uns einsetzen, Mann für Mann, für die hohen Ziele, denen der Tote gelebt, für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, für Frieden und Lebensfreude.
Dann legen die Kameraden aus Braunschweig, v. Frankenstein für den Gau und Arnold für die Ortsgruppe, Kränze nieder. Sie geben dem Schmerz und dem Entsetzen Ausdruck, wovon die Anständigen in Franzens Reich über diese Bluttat ergriffen sind. Die 4. Kameradschaft des Reichsbanners legt einen Kranz nieder.
Für die Ortsgruppe Hannover des Reichsbanners spricht Kamerad Christian Schrader:
Tieferschüttert stehen wir an der Gruft eines Kameraden, der allzufrüh aus unserm Kreise gewaltsam entfernt wurde. Er wollte seiner Familie und seinen Mitmenschen eine Hilfe sein. Heute beklagen wir ihn als Opfer einer politischen Gewalttat. Die Täter sind feige genug, zu bestreiten, daß sie die Mörder sind. Mögen die Täter heute noch nicht aktenmäßig bekannt sein, wir wissen, wo sie zu suchen sind. Besonderes machen wir die Führer verantwortlich, die immer wieder betonen, daß in ihrem sagenhaften Dritten Reiche „die Köpfe rollen werden“. Das sind die Schuldigen, denen auch Kamerad Pammler zum Opfer fiel. Wir verlieren in ihm eine strebsame junge Kraft, die immer tätig war im Geiste der Republik. Mit tiefem Abscheu und großer Empörung wenden wir uns ab von jenen Kreisen, die glauben, mit Roheit und Gewalt zum Ziele kommen zu können. Wir geloben an der offenen Gruft, daß der Geist, für den Reinhold Pammler gelebt, weiter und immer weiter getragen wird. Wir werden weiter für das Ziel kämpfen, das er nicht mehr erreichen konnte. Im Gedenken an den Gemeuchelten werden wir kämpfen, der Republik zum Schutz, ihren Feinden zum Trutz.
Langsam zogen die Kameraden am Grabe vorbei, dem Ausgang zu. Dort wehten die Fahnen, hinter denen Kamerad Pammler so oft herzog, zu neuem Kämpfen. Es ertönten die Märsche, nach deren Takt wir Schulter an Schulter in gleichem Schritt mit Kamerad Pammler marschiert sind.
Unser Gedenken ist Kampf, ist der Wille, die Welt zu erringen, die Kamerad Pammler mit uns ersehnte.
Wieder ging es an vielen Zuschauern vorbei der Stadt zu. Ueberall grüßten Republikaner, Freunde. Auf dem Klagesmarkt, dem Ziele des Rückmarsches, erwarteten Tausende die Streiter der Republik. Vom Gewerkschaftshaus grüßte die auf Halbmast gezogene schwarzrotgoldene Trauerfahne, das Zeichen, daß die gesamte Arbeiterschaft und mit ihr alle Anständigen im Volke teilnahmen an der Trauer des Reichsbanners.
Der Vorsitzende des Ortsvereins Hannover, Kamerad Raloff, dankte den vielen Kameraden, die herbeigeilt waren, ihrem tiefen Schmerz und unsagbarem Leid über den Tod eines ihrer Besten Ausdruck zu geben. Besonders aber dankte er den Kameraden aus Braunschweig. Stolz konnte Kamerad Raloff feststellen: „Treue um Treue, so steht das Reichsbanner zusammen. Einer für alle und alle für einen. Und wenn auch Mörderhände eine Lücke gerissen haben, so stehen doch viele bereit, diese Lücke auszufüllen.
Wir geloben, fest und treu zusammenzustehen. Unser wird der Sieg sein über Mörder und Verbrecher; denn wir kämpfen für den Fortschritt, für die neue Zeit.“
Gewaltig tönt das Frei Heil!, in das auch die Zuschauer begeistert einstimmen, über den weiten Platz.
Die Republikaner werden es nicht genug sein lassen, dem Toten die letzte Ehre erwiesen zu haben. Manche Faust wird sich ballen. Der Tod des lieben Kameraden ist uns Kampfsignal, fest zusammenzustehen gegen das politische Verbrechergesindel. Wie wir es ablehnen, die uns heiligen Fahnen der Menschheitsbefreiung mit verbrecherisch vergossenem Blute zu beflecken, so geloben wir an dem frischen Erdhügel unsers Kameraden, nicht eher zu ruhen, bis der Kampf zum guten Ende geführt ist.
Der Geist des Kameraden Pammler lebt. Kein, heimtückisch geführtes Mordinstrument kann ihn töten. Und dieser Geist marschiert mit uns alle Tage. Wir werden nicht eher ruhen, bis für unser Volk, für unsre Arbeitsbrüder die Freiheit errungen ist.
Diesen Schwur dir zu Ehren, Kamerad Pammler! Mag er deinen Mördern und ihren Helfern furchtbar in die Ohren gellen. Dein Geist, der unser Geist ist, zwingt Mord und Willkür!
Du aber, Arbeitsbruder, denke daran: Wieder opferte einer das Leben für unser Ziel. Wer will da noch im großen Kampfe gegen Verbrechertum und Faschismus beiseitestehen. Gedenken wir des teuren Kameraden, durch neuen immer mehr verstärkten Kampfeswillen!
Dem Toten zur Ehre, zu neuen Kämpfen, Republikaner, Kameraden!
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Aufzählungen mit Nennung des Toten:
herral, 14.10.2024, aktualisiert: 18.10.