Walter Meidt, *04.01.1908: Schutzpolizeiwachtmeister durch Messerstiche getötet – Mehrere Personen schwer verletzt – …

Informationssammung zum Tot des Polizeibeamten und die spätere Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten:

  1. Zeitungsbericht (1) vom 16.10.1929 der hannoverschen Zeitung „Volkswille“

In der Ausgabenummer 242, Jahrgang 46, Mittwoch, den 16. Oktober 1929 (1. Beilage zum Volkswillen“ wird folgendes berichtet (Fotoabschrift):

Die Nationalsozialisten provozieren blutige Zusammenstöße in Linden.

Ein Schutzpolizeiwachtmeister durch Messerstiche getötet. Mehrere Personen schwer verletzt – seltsame Befehle eines Schupohauptmanns – Wie lange noch nationalsozialistische Provokationen?

Um Mitternacht kam es auf der Ihmebrücke zu schweren Zusammenstößen nach einer Nationalsozialistischen Versammlung im „Posthorn“. Ein junger Schupowachtmeister wurde dabei niedergestochen und starb kurze Zeit danach im Krankenhause. Einige Personen aus der Menge wurden gleichfalls durch Messerstiche schwer verletzt. Das herbeigerufene Kommando berittener Schutzpolizeibeamten ging mit aller Rücksichtslosigkeit gegen die dem Zuge der Nationalsozialisten folgende Masse vor wobei eine Anzahl Personen verletzt wurde.

Mordrede des nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Wagner im „Posthorn“

Die Nationalsozialistische deutsche „Arbeiterpartei“ hatte am xxxxabend ihre ganze Ortsgruppe nach dem „Posthor aufgeboten, um das „rote Linden“ zu erobern. Im Saale standen zunächst ein paar Duzend Nazis, die unter polizeilichem Schutz den xxxxx und kriegerisch den Sturmriemen unterm Kinn befestigt hatten. Eine Abteilung Stahlhelm wurde mit dem unter „nationalen Männern“ üblichen Kriegsgeheul als Verstärkung willkommen geheißen. Sonst hatten nur nicht-xxx Mitläufer und ein halbes Duzend Neugieriger das Eintrittsgeld von 40 Pf. gezahlt. Die organisierten Arbeiter Lindens hatten die Hakenkreuzler unter sich gelassen. Als der Reichstagsabgeordnete Wagner(xxx) seinen „Kampf gegen XXX“ unter größtem Stimmenaufwand beinahe ausgekämpft hatte, wurde der Rest der xxxgarde von einem starken Polizeikommando abgeliefert. Trotz des kostspieligen polizeiliche Schutze für die Nationalsozialisten fand der Redner rasenden Beifall, als er zum Ausdruck brachte:

Dieser verhaßte Staat müsse zum „Deubel“ gehen und der jetzigen Regierung das Genick umgedreht werden.

Kraftausdrücke wie xxxx, Lügner, Betrüger, Lumpen, Halunken, xxxx Kulis, flogen wie Bettfedern umher. Über den Innenminister Severing leistete sich der Hetzer Wagner folgende Äußerung:

Wenn Severing etwas über de Nationalsozialisten sage, so sei es dasselbe, als wenn ein Hund am Schiller- oder am Goethedenkmal das Bein hochhebe.

Interessant war Wagners Einstellung zu den deutschnationalen Bundesgenossen. Die Nazis gehen mit ihnen zusammen, um durch das Volksbegehren die Regierung zu stürzen und dies Herren ans Ruder zu bringen. Sie wollen das Zünglein an der Waage spielen und auch dieser deutschnationalen Regierung das Genick verdrehen, wenn sie nicht in ihrem Sinne regiert. Hugenberg wird an diesen Bundesgenossen noch seine helle Freude erleben! Auch sein Genick knackte an diesem Abend.

Gegen 23 Uhh war die Deisterstraße schwarz vor Menschen. Die Autos des Überfallkommandos standen auf der Straße . Eine Stunde dauerte es bald, bis die Hakenkreuzler den Saal zu verlassen wagten. Unter stärkstem polizeilichem Schutz, vorn berittene Polizei an den Seiten Polizei mit Gummiknüppeln, am Schluß Autos mit Polizei, zogen die „Helden“ gegen Mitternacht ab. Pfui und Nieder Rufe hagelten auf sie nieder. Bei diesem Rückzug aus Linden werden sie hoffentlich eingesehen haben, das die Lindener Arbeiter nichts von ihnen wissen wollen.

Der blutige Zusammenstoß an der Ihmebrücke.

Von den provozierenden Reden des Reichstagsabgeordneten Wagner in der Versammlung hatte die von dem „Posthorn“ verharrende Menschenmenge Kenntnis erhalten. Als nun die Versammlungsteilnehmer den Saal verließen, bemächtigte sich der masse eine große Erregung. Beim Erscheinen der uniformierten Hakenkreuzler machte sich die Entrüstung in Rufen „Nieder “ und „Pfui“ laut. Unter dem Schutz des sehr starken Polizeiaufgebotes zogen die politischen Strauchritter in geschlossenem Zuge ab. Die Masse folgte. Unbegreiflicherweise wurde erst kurz vor der Ihmebrücke die Straße abgeriegelt, obgleich doch die Möglichkeit bestanden hätte, die Ansammlung schon lange vorher zu zerstreuen. Als die Nationalsozialisten sich so im Schutze der Polizei sahen, wurden sie besonders herausfordernd. Auf der Ihmebrücke kam es dann zu dem schweren Zusammenstoß, dessen erstes Opfer der Schupowachtmeister Meidt wurde. Er erhielt einen Stich in die Hüfte und brach mit leutem Aufschrei zusammen. Im Krankenha8use starb er kurz darauf. Mehrere Personen blieben schwer verletzt liegen. Zwei der Niedergestochenen lagen in der Falkenstraße, wohin sie sich offenbar geschleppt hatten, während ein gleichfalls durch Messerstiche verletzter junger Mann mit dem Auto der Schutzpolizei einem Arzt zugeführt wurde.

Eine Abteilung berittener Schutzpolizeibeamte stürmte gegen die Masse an und ritt alles nieder, was sich ihr in den Weg stellte. Der Platz vor dem Schwarzen Bären war mit Hüten und Mützen bedeckt. Eine ganz Reihe Personen wurden durch Gummiknüppel verletzt und niedergeritten.

Eine neue schwere Blutschuld kommt auf das Konto der Nationalsozialisten. Sie zogen, teils bewaffnet, nach Linden, um dann in schamlosester Weise gegen die demokratische Republik, gegen die Regierung und insbesondere gegen die sozialdemokratischen Minister zu hetzen. Ein erbärmlicher Geselle, der unter dem Immunitätsschutze stehende Reichstagsabgeordnete Wagner, goß Kübel von Schmutz über seine politischen Gegner und dazu brüllte ein sich als „national“ bezeichnende verwilderte Horde Beifall. Unter dem Schutz der vom demokratischen Staate unterhaltenen Polizei war es diesen politischen Wilderern überhaupt erst möglich, in Linden aufzutreten. Die demokratische Freiheit die diese Gesellen mit dem schamlosesten Mitteln bekämpfen, xxxx für das nationalsozialistische Rowdytum Propaganda zu machen. Glaubt man denn, daß sich das die sozialdemokratische Arbeiterschaft noch länger gefallen lassen wird? Glaubt man denn, daß man , ausgerechnet in den Quartieren der Arbeiterschaft, eine Mordhetzt entfalten kann? Die Geduld der Arbeiterschaft mit diesem politischen Gesindel, das keine fachlichen Argumente kennt, ist erschöpft! Es ist Aufgabe des Staates, diesen Missbrauch der demokratischen Freiheit zu unterbinden. Wollen die Organe des Staates noch länger mit verschränkten Armen zusehen, wie die Rotte politischer Vagabunden die staatserhaltenden Kreise der Bevölkerung terrorisiert?

Leider können wir einem Teil der Schupo den Vorwurf nicht ersparen, daß durch ihr unbedachtes Vorgehen die Lage an der Ihmebrücke verschärftworden ist. Es bestand durchaus die Möglichkeit, die Massen schon beim Posthorn zurückzudrängen, ohne dabei brutal vorgehen zu müssen. Ganz plötzlich aber kam der Befehl, die Ihmebrück abzuriegeln. was natürlich , da die Massen die Brück erreicht hatten, nicht sogleich gelang. Das denn erfolgende brutale Vorgehen der berittenen Schutzpolizei scheint auf einem besonderen Befahl des Hauptmanns Weiß zurückzuführen zu sein. der sich ja überhaupt eigenartig benommen hat.

Als nach der Säuberung der Straße dem Polizeihauptmann von unbeteiligten Passanten Vorhaltungen über das brutale Vorgehen eines Teils der Beamten gemacht und ihm bedeutet wurde, daß man dem Polizeipräsidenten darüber Bericht zukommen lassen werde, erklärte er in arrogantem Ton: Ihr Genosse Barth ist verreist! Das Verhalten des größten Teils der Schupobeamten war durchaus mustergültig, was von vielen Augenzeugen ausdrücklich hervorgehoben wird. Es wird zu untersuchen sein, ob das taktisch falsche und dann noch mit solchem Schneid durchgeführte Vorgehen der berittenen Polizei auf Veranlassung des Polizeihauptmanns Weiß erfolgt ist.

Siehe auch: https://republikpolizei.de/archive/542


Bei den getöteten Schutzpolizeibeamten handelt es sich um Walter Meidt, geboren am 04. Januar 1908 in Gardelegen.

Nach der Machtergreifung im Jahr 1933 benannten die Nationalsozialisten die 1919 angelegte und ursprünglich nach dem jüdischen Bankier, Geheimen Kommerzienrat und Aufsichtsratsvorsitzenden der Lindener Eisen- und Stahlwerke sowie der Continental-Gummi-Werke AG benannte Bernhard-Caspar-Straße im hannoverschen Stadtteil Linden-Mitte um in Meidtstraße. Nach der Befreiung Hannovers durch amerikanische Truppen erhielt der Straße unter den Britischen Militärbehörden schon 1945 wieder ihre ursprüngliche Bezeichnung.[1]

https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Meidt


Berichterstattung der Deister- und Weserzeitung (DEWEZET) vom 16. und 17.10.1929:

Folgebericht im Hannoverschen Volkswillen vom 17.10.1928:

Kartenausschnitt Meidtstraße 1934:


Altonaer Nachrichten vom 30.07.1934:

Zeitungsbericht DEWEZET vom 30.01.1939


Siehe auch: „Schlacht am Schwarzen Bären„:

„Einen ersten größeren Vorstoß nach Linden hinein unternahmen die Nationalsozialisten, als sie am 14. Oktober 1929 eine Veranstaltung im Lokal „Posthorn“ (Deisterstraße 66) abhielten. Als Redner geladen war NSDAP-Gauleiter Josef Wagner aus Bochum, sein Thema: „Der Kampf gegen Young – eine Sache des deutschen Arbeiters“. Die Regelung deutscher Reparationsleistungen nach dem Ersten Weltkrieg lieferte hier die Vorlage, gegen den Staat zu hetzen.

Den Nationalsozialisten war klar, welcher Empfang ihnen in Linden blühte; darum hatten sie polizeilichen Schutz erbeten und auch bekommen. Vor dem „Posthorn“ sammelte sich eine große Menschenmenge, die die Eindringlinge geräuschvoll ablehnte und die „Internationale“ sang. Beim Abmarsch der Nationalsozialisten mitten in der Nacht über die Ihmebrücke kam es zum Höhepunkt der Auseinandersetzung, einer regelrechten Schlacht. Die Polizei ging mit Pferden und Knüppeln hart gegen die Demonstranten vor, um die Brücke abzuriegeln und die Rechtsradikalen ziehen zu lassen. Dabei entstanden schwere Verletzungen, und als sich das Getümmel auflöste, lagen Menschen am Boden, Hüte und Mützen verteilten sich über den Platz vor dem Schwarzen Bären. Und vor allem: Der Wachtmeister Walter Meidt, erst 20 Jahre alt, hatte einen tödlichen Messerstich erhalten. Es wurde nie sicher geklärt, wer der Täter war, obwohl viel später die nationalsozialistische Justiz einen Kommunisten dafür einsperrte – offenbar hatte ein Antifaschist im Affekt gehandelt. Der „Volkswille“, die hannoversche SPD-Zeitung, verlangte Schutz der eigenen Leute gegen die Nationalsozialisten, empörte sich darüber, dass diejenigen behütet werden, die die Republik verleumden und auf ihren Sturz hinarbeiten. „Wollen die Organe des Staates noch länger mit verschränkten Armen zusehen, wie eine Rotte politischer Vagabunden die staatserhaltenden Kreise der Bevölkerung terrorisiert?“

Quelle: http://www.lebensraum-linden.de/portal/seiten/linden-und-der-nationalsozialismus-der-kampf-um-die-strasse-bis-juli-1932-900000055-5201.html


Gedenksteininschrift: „POLW. MEIDT    I. BER. † 15. X. 29“

Zusammengestellt und aktualisiert am 24.02.2021

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