Über die Anfänge einer internationalen Polizeiorganisation der Gewerkschaften/Verbände:

Die werdende Polizeibeamten-Internationale.

Internationale Beziehungen zwischen Polizeiorganisationen, wenn auch nur in sehr loser Form, bestanden bereits vor dem Kriege. Der holländische Allgemeene Bond von Politiepersoneel hat bereits 1908 zu dem Kongreß der belgischen Polizeibeamten in Gent einen Vertreter entsandt. 1909 ließe sich die Holländer durch eine Abordnung auf dem Kongreß der französischen Polizisten in Paris vertreten. Als sich 1913 die preußischen Schutzleute organisierten, dabei auf den Widerstand ihrer Behörden stießen und dadurch die Öffentlichkeit auf die Bestrebungen aufmerksam gemacht wurde, traten die Holländer auch mit Deutschland durch ein Sympathieschreiben an den Führer der Schutzmannsbewegung in Verbindung. Durch den Weltkrieg zerrissen die Fäden.

Im Jahre 1920 wandten sich die Holländer an die Polizeiorganisationen der verschiedensten Länder mit der Anregung, einen internationalen Polizeibeamtenkongreß abzuhalten. In demselben Jahre fan die Tagung der holländischen Polizeibeamtenvereinigung in Utrecht statt, an der auch Vertreter der belgischen und französischen Polizeibeamtenorganisationen teilnahmen. In einer besonderen Sitzung des Hauptvorstandes der holländischen Organisation mit den Vertretern Belgiens und Frankreichs wurde der Beschluß auf Errichtung einer internationalen Organisation aller Polizeibeamten gefaßt. Aus Deutschland, Norwegen, Schweden, England und Serbien, sowie von einer örtlichen Organisation in Kopenhagen waren Zustimmungsschreiben eingegangen. Am 16. September 1921 sandte der Allgemeene Bond van Politiepersoneel (van Butten als Vorsitzender und Berrels als Sekretär) an den Verband der Polizeibeamten Preußens den nachfolgenden Entwurf einer Prinzipienerklärung und eines Aktionsprogramms der zu errichtenden Polizeibeamten-Internationale zur Stellungnahme:

Prinzipienerklärung:

Es ist eine der großen Lehren des Weltkrieges, daß die Völker fortan mehr darauf bedacht sein müssen, ihre Geschichte selbst zu lenken, statt sie wie bisher den Diplomaten anzuvertrauen, von deren Abmachung die Welt erst erfährt, wenn es zu spät ist.

Es besteht kein Zweifel darüber, daß der Weltkrieg nichts als Tod, Verderben und Vernichtung über die Menschen gebracht hat, um schließlich ein wirtschaftliches Chaos, geistige Verwilderung und eine hoffnungslose Verwirrung zurückzulassen – kurz Zustände, die kein Volk gewollt hat, und die einzig jenen zur Last fallen, die heute Besitzer von Grund und Boden und Herren der Produktions- und Transportmittel sind. Die Millionen Menschen, die einander mit den verruchtesten Mordwaffen vernichteten, glaubten daran, daß sie gegen einen feigen Feind, der ihr Land oder ihre Interessen schädigen wollte und für die Befreiung und den Schutz der kleinen Nationen zu kämpfen hätten, oder aber sie waren so völlig zu willenlosen Werkzeugen des Militarismus geworden, daß ihnen jedes selbständige Denken und Handeln abhanden gekommen war.  Die Politik war vielen von ihnen ein Buch mit sieben Siegeln, und es war daher ein Leichtes, die Völker zu ihrem eigenen Schaden für die Interessen einer kleinen Gruppe zu mißbrauchen.

(Aufgabe der Polizeiinternationale ist es, die auf die Verbrüderung der Menschheit gerichteten Bestrebungen kräftig zu unterstützen und so mitzuarbeiten an der Errichtung einer besseren Gesellschaftsordnung.)

Desweiteren wird es Pflicht der Internationale sein, dafür Sorge zu tragen, daß die von der Gemeinschaft und ihren Vertretern beschlossenen Gesetze auch tatsächlich durchgeführt werden.

Die Internatinale wird überdies im Zusammenhang mit dem obengenannten Punkt dafür einzutreten haben, daß die Polizei nicht einer jeweiligen Regierung unterstellt wird. Ministerien wechseln, aber die Gesetze bleiben bestehen, und es muß daher der Gefahr vorgebeugt werden, daß die Polizei in den Dienst irgend einer Parteipolitik gestellt wird.

Die Internationale soll überdies trachten, daß bei Handhabung der öffentlichen Ordnung und bei jeglicher Intervention in allen jenen Fällen, in denen das Gesetz keine Richtschnur abgibt, die Polizei in entsprechender Weise über die Gründe und Ursachen der Volksbewegung unterrichtet wird.

Die Internationale ist der Meinung, daß die Polizei ihr Amt gewissermaßen als ein erzieherisches auffassen muß, und daß zu diesem Zwecke vor allem das Vertrauen des Volkes nötig ist. Dieses Vertrauen muß die Polizei sich erringen durch ihr Auftreten und namentlich auch durch ihre gesellschaftlichen Auffassungen.

Die Internationale bekennt, daß die Polizei in ihrer gegenwärtigen Gestalt für diese Aufgaben nicht geeignet ist, und sie muß daher ihr Bestreben darauf richten, durch solidarisches und internationales Vorgehen ihr Ziel zu erreichen sowie durch die Verwirklichung des nachfolgenden Programms unter der Devise: Hebung des Polizeistandes.

Aktionsprogramm.

Die internationale Föderation kämpft für:

  1. Die Hebung des Polizeibeamtenstandes, um der polizeilichen Tätigkeit mehr Wertschätzung zu sichern.
  2. Bessere Vorbereitung für den Polizeidienst durch Errichtung staatlicher Anstalten.
  3. Schulung und Aufstellung von weiblichen Polizeibeamten in den großen Städten
  4. Verbesserung der materiellen Lage der Mitglieder der angeschlossenen Polizeiorganisationen.
  5. Freies Vereins- und Versammlungsrecht.
  6. Anwendung der von der Washingtoner Arbeitskonferenz 1920 angenommenen Beschlüsse auf die Polizeibeamten, soweit es nötig ist.
  7. Anknüpfung von Beziehungen mit dem Sekretariat des Völkerbundes in Genf zu dem Zwecke, die Polizeibeamten für ihre Aufgabe auf dem Gebiete der internationalen Gesetzgebung entsprechend vorzubereiten.
  8. Mitbestimmungsrecht bei Ausarbeitung von Vorschriften für die polizeiliche Tätigkeit oder bei solchen Maßnahmen, die zur Durchführung polizeilicher Aufgaben festgesetzt werden und an welchen die Polizeibeamten mitzuwirken haben (Vorschläge für Gesetze oder gesetzliche Vorschriften).
  9. Erhebung und Veröffentlichung von Informationen im weitesten Ausmaß über die Einrichtung und die materielle Lage der im Polizeidienst aller Länder beschäftigten Personen.
  10. Ergreifung von Maßnahmen zur internationalen Bekämpfung der Kriminalität, der Prostitution und des Alkoholmißbrauches.
  11. Gut eingerichtete Kanzleilokalitäten, Wartezimmer und Polizeiposten für die Polizeibeamten und hygienisch eingerichtete Räume für unter Verdacht stehende oder in provisorischer Polizeihaft befindliche Personen.
  12. Gute Ausrüstung der Polizei unter Berücksichtigung der modernen Erfindung auf technischem Gebiete.
  13. Vereinfachung der Auslieferungsformalitäten in Fällen von Exzessen sowie bei Sittlichkeits- und Eigentumsdelikten.
  14. Einheitliche Regelungen der Vorschriften für die Fremdenpolizei im internationalen Verkehr und Vereinfachung der Grenzformalitäten.
  15. Propaganda für die Weltsprache Esperanto.

 

In den Begleitschreiben zu diesem Satzungsentwurf teilten die Holländer der preußischen Polizeibeamtenorganisation noch mit, daß zwecks Errichtung einer Internationale von Polizeibeamten am 4. Oktober 1921 in Brüssel eine Versammlung von Vertretern aus Frankreich, England, Belgien und Holland abgehalten werden soll. …

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