Goebbels´Blutsaat geht auf! IRZ – 17.01.1931 –

Zwei neue Opfer der Nazi-Mordhetze

Seit der staatenlose Abenteurer Hitler vor dem höchsten deutschen Gericht ungerügt die unverschämte, von unheilbarem Grössenwahn zeugende Drohung aussprechen durfte, wenn er an die Macht komme, würden die Köpfe der „Novemberverbrecher“ in den Sand rollen, ist der nationalsozialistische Terror bis zur Unerträglichkeit gestiegen. Diese Drohung war das Stichwort zu einer masslosen Hetze gegen Republik und Republikaner. Gewissen- und verantwortungslose Demagogen vom Schlage eines Goebbels, die sich feige hinter den Schutz der Abgeordnetenimmunität verkriechen, haben immer und immer wieder die nahe Abrechnung mit den Republikanern angekündigt und in den Spalten der nationalsozialistischen Blätter war tagtäglich in aufreizenden Artikel der Schrei nach Rache vernehmbar.

IRZ vom 17.01.1931

Ist es unter diesen Umständen ein Wunder, wenn den Angehörigen der nationalsozialistischen Sturmtrupps der Revolver lose in der Tasche sass und sie in einer Art Blutrausch Gewalttat an Gewalttat reihten?

Seit den ersten Stunden des neuen Jahres ist ihr Schuldkonto mit einem neuen Verbrechen belastet. Zwei junge, blühende Menschenleben sind in Berlin von den nationalsozialistischen Terroristen ausgelöscht worden, unser Kamerad Willy Schneider und der der S.P.D. angehörende Bankbeamte Graf.

Mord, gemeiner Mord, fordert Sühne! Aber auch dieses furchtbare Verbrechen rührt nicht die steinernen Herzen der Künder des Dritten Reiches. Während die Mütter der Ermordeten an den Bahren ihrer Kinder weinen, geht in dem Blatte, das Goebbels, der Mann ohne Gewissen, herausgibt, die Hetze weiter, werden die Kameraden der Ermordeten als Gesindel, Strolche, Wegelagerer beschimpft. Alles Schimpfen und Höhnen aber wäscht Goebbels und seine Kreaturen nicht rein von der furchtbaren Schuld, die sie auf sich geladen haben. Das Blut der Gemeuchelten kommt über ihre Häupter und wer künftig noch das Hakenkreuz trägt, steht mi ihnen auf einer Stufe, trägt es als das Kainszeichen des Brudermordes!

Eine Wirkung aber hat die jüngste Gewalttag der Hitler-Gardisten gehabt, die sie nicht vorausgesehen haben: sie hat das republikanische Berlin aufgerüttelt. Das zeigte sich an dem Tage, an dem unser Kamerad Schneider seine letzte Fahrt antrat. Tausende und aber Tausende defilierten an dem öffentlich aufgebahrten, unter Blumen verschwindenden Sarge vorüber. Zehntausende folgten ihm und Zehntausende standen in stummer Ergriffenheit in den Strassen Spalier, die der Trauerkondukt passierte. Das war eine der grössten Trauerkundgebungen, die Berlin je gesehen hat, das war aber auch die eindrucksvollste Demonstration gegen das verbrecherische Treiben der Hakenkreuzler. Denn alle, die dem Ermordeten die letzte Ehre erweisen, waren erfüllt von dem Gelöbnis, das bei der Trauerfeier der Gauführer von Berlin, der Kamerad Stelling, am Sarge ablegte und das später im Krematorium der Vertreter des Bundesvorstandes, Kamerad Crohn wiederholte, nämlich, dass nicht mehr geduldet werden darf, dass Menschen, die für ihre Ideale mit geistigen Waffen kämpfen, ermordet werden, dass Schluss gemacht werden muss mit den Vorbereitungen zum Bürgerkrieg. Die Bereitschaft zum Widerstand, die hinter diesem Gelöbnis steht, muss wie eine Lawine durch das republikanische Deutschland rollen. Wer wollte sich nicht das Beispiel zum Vorbild nehmen, das der Vater des ermordeten Kameraden Schneider gab, der in der schmerzlichsten Stunde seines Lebens in die Lücke trat, die der Tod seines Sohnes ins Reichsbanner gerissen hatte! Das ist der Geist, den wir brauchen, das ist der Geist, mit dem wir auch die ungeistige Nazi-Bewegung überwinden werden.

Leseabschrift:

Einzelbilder:

Quelle: Illustr. Republikanische Zeitung (IRZ) Nr. 3 – 8. Jahrgang, Berlin, 17. Januar 1931, Preis 20 Pfg. Herausgeber: Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Verantwortlicher Redakteur: Karl Wiegner, Berlin

Hintergrundinformationen:

https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/gedenktafeln/gedenktafel-anzeige/tid/willy-schneider/

http://sozialistenfriedhof.de/willi_schneider.html

Beachte das Schicksal des im Artikel benannte Kamerad Stelling (Gauführer des Reichsbanners von Berlin) https://reichsbanner.de/nc/reichsbanner-geschichte/persoenlichkeiten/biografien/show/Person/stelling-johannes/

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