Bernhard Gelderblom: Hameln 1918 – 1938

„1018, Hameln war eine 20.000 Einwohner Stadt, damals bürgerlich konservativ. Eine Beamtenstadt, eine Garnisonsstadt. So blieb es auch in der Weimarer Zeit. Die Veränderungen durch die Novemberrevolution hatten in Hameln keinerlei Auswirkungen. Die obersten Verwaltungsbeamten blieben dieselben. Unruhen gab es in Hameln nicht. Im Gegenteil, aus Sorge darüber, dass die Umwälzungen in Berlin, Kiel und anderswo Folgen für Hameln haben könnten, gründete der Rat 1919 gegen die Stimmen der SPD eine Bürgerwehr.“

Mit diesen Sätzen begann der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom seinen Einblick in die historischen Ereignisse der Weimarer Republik aus lokaler Sicht. In den dann folgenden 30 Minuten entwickelte sich ein detailreicher Einblick im Handeln und Wirken der Polizei wie auch anderer Akteure in der Stadt. Anhand vieler konkreter Beispiele, von Straßenkämpfen wie auch politischen Verwicklungen, Anklagen und Wegsehen wurde die Zeit verständlich.  Gelderblom beschriebt Schicksale von Opfern und Tätern und bringt allgemeine Daten und Fakten zur Polizeistärke und Ausrüstung aus den Archiven ans Tageslicht.

Bedrückend das Mitlaufen der meisten, neu aber auch dass zumindest zwei Polizeibeamte von den Nationalsozialisten nach ihrer Machtübernahme entlassen wurden.  Die von Bernhard Gelderblom in kurzer Zeit zusammengetragen Informationen bieten Ansatzpunkte für eine Vielzahl von Recherchen. So verblüfft z.B. die Ablösung des Hamelner Polizeichefs noch im Januar 1932, als dessen Beamte aufgrund eines übelst hetzerischen Flugblattes der Nationalsozialisten nicht handelte. Die Polizei bekommt mit Walter Tuthast eine neue Führung, der bis dahin eine deutliche Distanz zur NSDAP gezeigt hatte. Spannend auch die Frage, warum DEWEZET über den gesamten Sachverhalt, der Landtagsanfragen zur Folge hatte, nicht berichtete.

Gelderblom verlas den bemerkenswerten Flugblatttext:

„Auf zum Kampf, auf illegalen Wegen. Kampf gegen dieses System, dass sein Ende durch Notverordnungen und Polizeiknüppel hinauszuschieben versucht. Lüge, Terror und Korruption regieren im Reich. Schart Euch mit bewaffneten Fäusten um das Hakenkreuzbanner und helft uns, die heutigen Machthaber an den Galgen zu bringen. Kampf dem roten Mordgesindel mit scharfen Waffen. Schlagt die sozialdemokratischen Zuchthäusler, wo ihr sie trefft. Schießt die Gefängnishelden Schlieker, Müller, Arno Reichardt, Becker, Wilke, Krahn, Busch und die anderen Genossen zusammen. Bringt die jüdischen Geldverschieber an die Laternenpfähle. Nieder mit dem Dreigestirn Braun, Brünning, Severing. 

Arbeiter, Handwerker, Geschäftsleute, trotz Verleumdung und rotem Terror gebt Eure Stimmen dem Volksentscheid am 9. August.“

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten soll der Verfasser dieses Flugblattes eine Stelle bei der Polizei bekommen haben.

Was aber wurde aus dem Polizeioberwachtmeister Döhring, dessen Schicksal es war, in Schutzhaft genommen zu werden, damit er nicht als Leiche endet. Polizeihauptwachtmeister Hage wurde sofort vom Dienst beurlaubt.

Tragisch auch das Schicksal von des Friseurs Fritz Jahn, Vater von vier Kindern, der tot in der Hamelner Schleuse aufgefunden wurde. Das ehemaliger SPD Mitglied wurde vermutlich von SA Männern in einen Hinterhalt gelockt und ermordet.  Für Fritz Jahn wurde ein Stolperstein zur Erinnerung gesetzt.

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